„Ich bin auf Auswärtsfahrt“

Jörg Thadeusz brillierte stets durch seinen zynischen Humor. Den muss er nun bremsen: Im NDR-Vierteiler „Die Küste umsonst“ (freitags, 22.30 Uhr) radelt er ab heute ohne Geld die deutsche Küste entlang, 1.200 Kilometer von Greetsiel bis Ahlbeck

JÖRG THADEUSZ, 39, moderierte die Sendung „extra 3“ und ist Grimme Preis prämierter Außenreporter von „Zimmer frei“. Seine Flugangst konnte er mit Hilfe eines Flugangstseminars überwinden.

INTERVIEW: JAN FREITAG

taz: Herr Thadeusz, Sie radeln für den NDR ohne Geld die deutsche Küste entlang und bitten einfache Leute um Asyl. Ist das der neue Entbehrungsjournalismus?

Jörg Thadeusz: Schon möglich. Mein strahlendes Vorbild und geistiger Führer Oli P. pilgert demnächst ja für Pro Sieben nach Santiago des Compostela. Das hat er auch verdient, weil er Grönemeyers „Flugzeuge im Bauch“, eine Hymne meiner Jugend, so versaut hat. Aber ob das nun eine neue Askesewelle ist? Bei Hape Kerkelings Pilgerreise ging es um Sinnsuche, bei Pro Sieben um gar nichts, wir wollen Menschen authentisch im Fernsehen zeigen. Das funktioniert natürlich nie ganz, aber die Nähe ist eine andere, wenn jemand verschwitzt, hungrig und fertig an einer Tür klopft und um Asyl bittet. Da ist man schnell auf Augenhöhe. Ich bin ja auf Auswärtsfahrt bei Menschen mit Heimspiel.

Hilft die Reihe, Klischees über die Norddeutschen zu widerlegen?

Wenn man nur auf den Sound achtet, nicht. Die gedehnte Sprache, der Versuch schnell zum Ende zu kommen – äußerst norddeutsch. Aber an sich lässt sich das Klischee vom drögen, lahmen Nordlicht der Flens-Werbung natürlich nicht aufrechterhalten. Wir haben richtige Schwatztanten dabei und waren bei einem altkatholischen Priester, der aus dem Rheinland stammt.

Gibt es noch einen protestantischen Entbehrungsstolz an der Küste?

Immerhin ist die Region nicht für ihr tolles Essen bekannt. Auf der Speisekarte steht irgendwas mit Scholle, dann Schnitzel und Feierabend. Aber das geht nicht nur auf Entbehrungen zurück und ändert sich auch grad.

Sie selbst wirken leiblichen Genüssen durchaus zugeneigt.

In der Tat. Ich sehe nicht unbedingt wie ein Superathlet aus. Ein Typ mit altersadäquatem Übergewicht setzt sich aufs Fahrrad und macht Sport. Die Häme in dem Format richtet sich also vor allem gegen mich. Ich bin zwar schon sieben Marathons gelaufen, könnte aber mit meinem Pustebackengesicht keine Frau am Tresen mit meiner Sportlichkeit beeindrucken.

Dafür mit Ihrem Humor.

Eher auf die Mitleidstour. Aber im Ernst: Humor hilft auch nicht immer weiter; man muss seinen Gesprächspartner vor allem respektieren.

Musste sich der Zyniker Thadeusz da nicht sehr zurückhalten?

Nein, das sind zwei Paar Schuhe und ich hatte einen Kampfauftrag. Wenn ich ein Comedykampfschwein wäre, hätte ich auf meiner Küstentour einige Leute völlig rund gemacht. Wir im Team sind alle sehr glücklich, dieser Versuchung widerstanden zu haben, denn jeder einzelne, den wir getroffen haben, war auf seine Art bemerkenswert. Auf der anderen Seite kann man uns natürlich dafür kritisieren, nur Alltäglichkeiten zu zeigen, wo das Fernsehen doch dafür da ist, Sensationen zu präsentieren, aber Erstere interessieren mich eben mehr. Jetzt weiß ich endlich, was ein Imker macht oder wie die Seenotrettungsgesellschaft jemanden mit ihren riesigen Schiffen aus dem Watt rettet.

Klingt nach typischem Lokaljournalismus.

Aber nicht der, wo jemand auf dem Acker steht und ins Mikro schwärmt: „Ha, ist das schön hier, der märkische Sand, die Heideblüte, das Meer – das macht glücklich!“ Das mag ich nicht. Wenn es irgendwo so hässlich ist wie in Wilhelmshaven, darf ich das sagen. Erst im Umgang mit einfachen Leuten verbietet sich Sarkasmus. Aber wenn die Leute sagen, sie finden es schön bei sich, ist das doch besser, als alles kacke zu finden. Schließlich hat gerade Norddeutschland Kulissen, die einen umhauen. Mit dem Flugzeug über die Inseln zu fliegen ist erstmal nichts Besonderes, aber morgens sah es dort unglaublich aus, in 300 Meter hinein in die Sonne. Obwohl ich mir beinahe in die Hose gemacht habe.

Aus Flugangst?

Ja, auf dem ersten Flug sah ich erbärmlich aus, auch wenn es bald nett wurde. Aber wenn ich nach Amerika fliege, finde ich es immer noch fürchterlich, gerade den Start. Hier hat sich das Leiden allerdings gelohnt.