„C’est une guerre“

Die Reaktionen der französischen Presse fallen besonders im rechten Lager extrem aus. „Le Figaro“ spricht vom Krieg, der in Paris angekommen sei

Die Kommentare zu dem Anschlag auf den Redaktionssitz von Charlie Hebdo in Paris strotzen vor journalistischem Selbstbewusstsein und erklären nahezu einhellig ihre Solidarität mit den Opfern. Allerdings wird besonders in den konservativen Blättern der Fehdehandschuh gern aufgenommen.

Der düsterste Leitartikel stammt vom Chefredakteur der konservativen Tageszeitung Le Figaro, Alexis Brezet. Unter der Überschrift „Wenn der Krieg schon einmal da ist, müssen wir ihn gewinnen“ fasst er das Attentat als Kriegserklärung an „das Abendland, an Europa und die Werte der Demokratie“ auf. „Es ist Krieg, echter Krieg“, beginnt Brezet seinen Kommentar, „ein Krieg, der nicht von Soldaten geführt wird, sondern von Schattenmännern, dunklen Attentätern, und zwar auf eine durchorganisierte, methodische Art und Weise. Ihre wortlose Gewalttätigkeit lässt einem das Blut in den Adern gefrieren.“

Dieser Krieg, so Brezet, ist jetzt im Zentrum von Paris angekommen. Draußen tobte er schon lange – bisher in beruhigender Entfernung, nämlich „in Syrien, im Irak, in Nigeria, in Libyen“. „Man hat ihn lange nicht wahrnehmen wollen“, so Brezet, „man hat sich lange nicht getraut, ihn beim Namen zu nennen“.

Im Tonfall erinnert das an die Reaktion der damals regierenden Republikaner und der konservativen Presse in den USA nach den Anschlägen vom 11. September. Auch der Grundton weiterer Kommentare in Le Figaro – neben Brezet kommentiert unter anderem der Schriftsteller Jean d’Ormesson – ist nicht weit von den Positionen des rechten Front National entfernt. Es wird die Dichotomie „Wir gegen sie“ aufgebaut; das „Wir“ jedoch nicht differenziert oder hinterfragt.

Immerhin bemüht sich Jean d’Ormesson um moderatere Töne, auch wenn er die leitmotivische Redewendung vom „Krieg, der jetzt unter uns ist“, ebenso aufgreift: „Der Feind ist die Barbarei, die sich des Islams nur unehrenhaft und schändlich bedient“, schreibt er. „Die obersten Verantwortlichen des französischen Islam haben sich ausdrücklich von diesen Gräueltaten distanziert und sie verdammt.“ D’Ormesson schließt versöhnlich: „Alle, die wir Demokraten und Anhänger der Republik sind, wurden in unseren freiheitlichen Werten angegriffen. Angesichts dieser Gewalt und Barbarei sind wir alle Charlie Hebdo.“

Philippe Bilger, Präsident des „Institut de la parole“, der Behörde zur Pflege der französischen Sprache, äußerte sich bereits am Mittwochabend im selben Blatt. Er sieht den Kampf gegen den Terror als publizistische Aufgabe, dem aber auch eine harte strafrechtliche Reaktion folgen muss. „Die Autorität des Staates ist momentan ohnehin recht angeschlagen“, so Bilger. Präsident Hollandes „Richtungswechsel“ in Sachen Sozial- und Wirtschaftspolitik sei „reichlich spät“ gekommen. Dem müsse ein allgemeines Umdenken bei der Linken folgen; hin zu einem konsequenten Umgang mit der Bedrohung: „Es darf kein Vergessen geben.“

Die Chefin des Front National, Marine Le Pen, durfte sich per Videobotschaft auf der Startseite der Tageszeitung Le Monde ausbreiten und dort für die Wiedereinführung der Todesstrafe plädieren (siehe Seite 3). Ansonsten hält sich die große Tageszeitung eher vornehm zurück. Es gibt Solidaritätsadressen an die „Mutigen“, die eine Nachtwache für die Opfer von Mittwoch auf dem Place de la République abgehalten haben.

Die linken Zeitungen behandeln das Thema bislang weniger alarmistisch und mehr auf das Ziel des Anschlags bezogen: die Pressefreiheit, den Journalismus. Laurent Joffrin, Chefredakteur der Tageszeitung Libération, betont, dass die Idee von Charlie Hebdo – die Idee eines freien, freiheitlichen, satirischen und provokanten Umgangs mit dem politischen Geschehen – weiter leben wird. Joffrin, der den Schriftsteller Michel Houellebecq, dessen neuer Roman am Tag der Anschläge herausgekommen ist (und der sich das Szenario eines muslimisch regierten Frankreichs ausmalt), kürzlich als einen rechten Schriftsteller bezeichnete, stimmt nicht in die allgemeine Kriegserklärung mit ein: „Wir werden diesen Krieg nicht mitmachen“, schreibt er. „Wir sind keine Soldaten. Aber wir werden unseren Beruf, unsere Berufung verteidigen … Auch weil wir jetzt wieder wissen, warum wir Journalisten diesem, unseren Beruf nachgehen.“ RENÉ HAMANN