Das Ende der Beschaulichkeit

Die Stephani-AnwohnerInnen wehren sich gegen die geplante Gewerbeansiedlung in ihrem Quartier. Insbesondere eine für 500 Angestellte geplante Tiefgarage nährt die Sorge vor einem „Ausverkauf“

von Jan Zier

„Beschaulich“ sei es bisher im Stephaniviertel gewesen, sagt Reinhart Bünger, der selbst hier aufgewachsen ist. „Und so soll es auch bleiben.“ Danach sieht es allerdings nicht aus – mitten im Viertel entstehen gerade die neuen Domizile von Radio Bremen und Volkshochschule. Doch das allein ist es nicht, was die AnwohnerInnen auf die Barrikaden bringt. Ihnen geht es um die ehemalige Schule an der Stephanikirche. Denn hier – so die Befürchtung im Viertel – könnten schon bald zwei große Bürobauten nebst Tiefgarage für 500 Angestellte entstehen. Für Bünger wäre das der „Ausverkauf“ des Quartiers.

Genährt wird seine Angst durch den Bebauungsplan 2376, der vorsieht, dass knapp 6.000 Quadratmeter große Gelände „einer gewerblichen Nutzung“ zuzuführen. Dazu wird das bisher als reines Wohnquartier ausgewiesene Stephaniquartier zu einem städtischen „Kerngebiet“ erklärt, was sowohl Büro- als auch Verwaltungsbauten zulässt. Die Anwohnerinitiative spricht deshalb bereits von einer „Ramboplanung“ auf dem Rücken der ortsansässigen BremerInnen, von einer „Blaupause zur endgültigen Zerstörung eines intakten Wohnquartiers“.

Vor dem Zweiten Weltkrieg war das Viertel das Quartier der Fischer und Fuhrleute, der Schiffer und Segelmacher gewesen. Wegen seiner Nähe zum Hafen wurde es 1944 jedoch weitgehend zerstört, abgesehen von der Kirche blieb kaum etwas erhalten. Nach dem Krieg entstanden an dieser Stelle eher kleinteilige, bisweilen lediglich zweigeschossige Einfamilienhäuser mit Backsteinoptik – mit einer, wie die Baubehörde sagt, gemessen an seiner zentralen Lage „geringen Bebauungsdichte“. Die Schule, ein optisch wenig ansprechender Bau aus den sechziger Jahren, war Grundschule und Berufsschule für ZahnarzthelferInnen. Sie steht derzeit zum Verkauf.

Die Anwohnerinitiative fürchtet „sehr viel mehr Verkehr und Lärm“ in den engen Straßen des Stephaniquartiers, dazu einen „Riesen-Betonklotz“ als „Schandfleck“ mitten in der Stadt – und eine Wertminderung der anliegenden Immobilien. „Gegen einen Bäcker an der Ecke ist nichts zu sagen“, sagt Bünger, wohl aber gegen eine gewerbliche Nutzung des Schulgeländes. Sie wünschen sich an dieser Stelle eine Modellsiedlung mit Mehr-Generationen-Häusern oder eine Seniorenwohnanlage.

Auch eine Nachnutzung der Schule war im Gespräch, unter anderem war das evangelische Eduard-Nebelthau-Gymnasium an dem Gebäude interessiert. Doch die Privatschule ist nun nach Bremen-Nord gezogen.

Gestern versammelten sich nun die AnwohnerInnen, um über ihr weiteres Vorgehen zu beraten – sehr zur „Verwunderung“ des neuen grünen Bausenators Reinhard Loske. Er könne sein „Befremden“ über die „Dramaturgie“ des Protestes nicht verhehlen, schreibt Loske der Anwohnerinitiative. Zumal der „Bebauungsplan 2376“ derzeit „ruhe“ – also entgegen aller Befürchtungen der AnwohnerInnen derzeit „keine vollendeten Tatsachen“ geschaffen würden.

Für Loske ist die Entwicklung des Stephaniquartiers „ein zentrales Schlüsselprojekt der kommenden Jahre“, eine „einmalige Chance“ zur „seit langem gewünschten Aufwertung“ des Viertels. Und dazu gehört für Loske das Faulenquartier ebenso wie die dahinter liegenden Straßen zwischen Weser und B 75. Für einen wie Bünger ist das Faulenquartier indes nur eine angrenzende „Insel“. Und damit das so bleibt, erwägen die AnwohnerInnen auch, vor Gericht zu ziehen.