Arthur, der Vollstrecker

Der Mittelgewichtsboxer Arthur Abraham schlägt kompromisslos hart zu. Jüngstes Opfer ist sein armenischer Landsmann Khoren Gevor, den es in der elften Runde gewaltig zu Boden reißt

AUS BERLIN MARTIN KRAUSS

„Wer von mir den Titel holen will“, sagte ein reichlich ramponiert ausschauender Arthur Abraham, „der muss bestraft werden.“ Der Boxweltmeister im Mittelgewicht des Verbandes IBF meinte nicht den Bluterguss, der sein Kinn anschwellen ließ. Vielmehr saß der 27-Jährige ruhig und stolz im Presseraum der Berliner Max-Schmeling-Halle und meinte Anderes, Härteres. In der Nacht zum Sonntag hatte Abraham seinen Gegner, Khoren Gevor, in der elften Runde ausgeknockt. Der war mit einem linken Haken in die Bewusstlosigkeit geschlagen worden, blieb leblos mit angewinkelten Beinen liegen, und als er aufwachte, musste er sich erst mal übergeben. Er wurde ins Krankenhaus gefahren.

Khoren Gevor ist 28 Jahre alt, stammt wie Abraham aus Armenien und kämpft für den Hamburger Profiboxstall Universum. Es war sein erster Titelkampf, mithin auch für ihn die erste große Chance, an höhere Kampfbörsen zu kommen. Vor dem Kampf hatte Gevor laut überlegt, ob er nicht in seinen Beruf als Schweißer zurückgehen solle, wenn es einen Besseren im Mittelgewicht geben sollte als ihn. Nach seiner K.o.-Niederlage konnte man ihn dazu nicht mehr befragen. Sein Trainer Fritz Sdunek meinte: „Nach einer solchen Leistung muss man nicht aufhören.“ Gevor war im ganzen Kampf der fleißigere, angriffslustigere Boxer. Von Beginn an trieb er den Titelhalter vor sich her, stellte ihn in den Seilen oder den Ecken und deckte ihn mit Haken ein. Abraham hingegen zeigte die ganze Erfahrung seiner 24 Profikämpfe: Er ging in die Doppeldeckung, machte sich klein, aber gegen Ende einer Runde deckte er Gevor mit Schlagserien ein, die einen weniger starken Boxer als Gevor schon früher aus dem Ring hätten kippen lassen. „Bis zur sechsten Runde lief alles so, wie ich es mir vorgestellt habe“, sagte Trainer Sdunek, und auch auf Nachfrage blieb er dabei, dass das die richtige Strategie war. Lediglich Abrahams Schlagstärke kam dazwischen. „Was Khoren an Nehmerqualitäten gezeigt hat, war nicht gesund, aber gut für die Zuschauer.“ Abrahams Trainer Wegner sah es ähnlich: „Das war doch dein härtester Kampf bisher, Arthur“, erklärte er seinem Schützling.

Für Wegner war es auch der Sieg über seinen alten Trainerfreund und Trainerrivalen noch aus DDR-Zeiten. Fritz Sdunek ist Cheftrainer bei Universum, Wegner bei Sauerland. Das sind die zwei großen deutschen Profiboxställe, von denen jeder auch mit einem großen Fernsehsender vertraglich verbunden ist: Universum mit dem ZDF, Sauerland, der den Samstagkampf ausrichtete, mit der ARD. Seit der russische Riesenboxer Nikolai Valuev im April dieses Jahres seinen Titel verlor, ist Arthur Abraham der letzte verbliebene Weltmeister beim „Ersten“ und bei Sauerland. „Wir brauchen den Weltmeister mehr als du“, rief Ulli Wegner in Richtung Sdunek und Universum.

Sauerland steckt in einer Zwangslage, und Arthur Abraham ist der richtige Boxer, um das Unternehmen, das einst mit Henry Maske Millionen verdiente, wieder in die Erfolgsspur zu führen. „Ich musste einfach gewinnen“, sagte Abraham nach dem Kampf, „das ist nämlich meine Ehre.“ Der unbedingte Siegeswille macht den Kämpfer Abraham aus. Er weigert sich einfach zu akzeptieren, dass es einen besseren Boxer als ihn geben könnte. „Ich will immer nur als Sieger aus dem Ring steigen. Mehr will ich nicht.“

So geht Abraham auch seine weitere Zukunftsplanung an. Sein nächster Kampf wird vermutlich in den USA stattfinden. Wenn er auf dem dortigen Markt einigermaßen bekannt ist, will er gegen den Weltmeister des Verbandes WBC, Jermain Taylor, kämpfen. Auch Felix Sturm, der deutsche Weltmeister der WBA, steht noch auf der Liste seiner möglichen nächsten Gegner. „Ich will Super-Champion werden“, also Weltmeister aller wichtigen Verbände sein; Fachleute gehen von drei oder vier wichtigen Weltverbänden aus. „Dann werde ich ins Supermittelgewicht wechseln.“ Je höher die Gewichtsklasse ist, desto größer ist normalerweise die Börse für einen Boxer.

Und außerdem verbessert einer, der schon in mehreren Gewichtsklassen Weltmeister war, seinen Marktwert enorm. Mit 23 Jahren gab Arthur Abraham sein Profidebüt, mit 25 wollte er Weltmeister sein – und das schaffte er. Ein Jahr später wurde er berühmt, weil er die „Schlacht von Wetzlar“ siegreich bestand – seinen WM-Kampf gegen Edison Miranda aus Kolumbien, wo er acht Runden lang stark blutend mit gebrochenem Kiefer boxte. Nun hat Arthur Abraham Khoren Gevor mit einem der härtesten K.o.s der letzten Jahre ins Krankenhaus geschlagen. „Ich verwirkliche immer meine Ziele“, sagt er, und wer sich ihm in den Weg stellt, für den hat er eine Bestrafung vorgesehen.