Ende jahrzehntelanger Isolation

USA/KUBA Gefangenenaustausch und Erleichterungen: Barack Obama und Raúl Castro verkünden die größte Annäherung zwischen US-Regierung und Kuba seit Beginn der kubanischen Revolution

Obama bezeichnet die Sanktionspolitik der letzten 50 Jahre ungewohnt offen als gescheitert

BERLIN taz | Es ist der größte Schritt zur Annäherung und Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba seit Beginn der kubanischen Revolution vor über 50 Jahren. US-Präsident Barack Obama verkündete am Mittwochabend Reiseerleichterungen für US-Amerikaner nach Kuba, die Erhöhung der Geldsummen, die von kubanischen Angehörigen nach Kuba geschickt werden dürfen, verstärkten Austausch und eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Kuba. „Wir können nicht 50 Jahre lang die gleiche Politik verfolgen und erwarten, dass irgendetwas anderes dabei herauskommt“, sagte Obama. „Wir sollten es nicht zulassen, dass US-Sanktionen genau jenen Kubanern weiter schaden, denen wir doch helfen müssen“, fügte er hinzu. Eine vollständige Aufhebung des Wirtschaftsembargos verkündete Obama jedoch nicht – das kann er auch gar nicht, weil viele Sanktionen Gesetzeskraft haben und nur vom Kongress aufgehoben werden können.

Vorausgegangen war eine spektakuläre Freilassung: Nach genau fünf Jahren und vierzehn Tagen in kubanischer Haft konnte der 65-jährige Alan Gross die Insel verlassen. Der IT-Techniker, der im Dienst des State Department angeblich Telekommunikationstechnologie bei der jüdischen Gemeinde in Havanna installiert hat, wurde heute in Havanna aus dem Militärhospital entlassen. Gleich darauf hat er Kuba in einem US-Flugzeug verlassen. Im Gegenzug sollen drei kubanische Spione, die in Miami radikale kubanische Exilorganisationen ausgekundschaftet hatten, um Terroranschläge in Kuba zu vereiteln, freigelassen werden.

Der Austausch der Spione, an dem laut Medienberichten der Vatikan zusammen mit der US-Regierung seit über einem Jahr gearbeitet haben soll, markiert offenbar einen Wendepunkt in den Beziehungen beider Länder. Über eine Stunde sollen Barack Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro am Dienstag miteinander telefoniert haben. Am Mittwochabend wollten sie zeitgleich vor die Mikrofone treten und ihren Willen bekunden, die diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen. Außerdem sollten Reiseerleichterungen und vereinfachte Geldsendungen ermöglicht werden, hieß es. Kuba lasse zudem 53 politische Gefangene frei, hieß es kurz vor Beginn der Erklärungen.

Für den spektakulären Austausch der Spione hatten sich in den vergangenen Jahren US-Medien genauso wie Mariela Castro, die Tochter von Staatschef Raúl Castro, eingesetzt. Nun hat das Weiße Haus eingelenkt. Dafür war nicht nur der schlechte Gesundheitszustand von Alan Gross verantwortlich. Auch das politische Klima in den USA hatte sich verändert: Die New York Times etwa forderte in einer ganzen Reihe von Leitartikeln in den letzten Wochen, das „anachronistische“ Verhältnis zur Insel endlich zu normalisieren.

Genau das hatte Barack Obama allerdings ohnehin während seines Wahlkampfes 2008 versprochen – seine Bilanz sah in dieser Frage überaus dürftig aus, findet Kuba-Experte H. Michael Erisman von der Indiana State University und sieht die Ereignisse vom Mittwoch als wichtigen Schritt. An eine vollständige Aufhebung des Wirtschaftsembargos glaubt er angesichts der Mehrheiten im US-Kongress allerdings nicht.

Doch auch so ist der politische Schwenk dramatisch. Der Präsident habe seinen gesamten Spielraum ausgenutzt, so heißt es. Das sieht auch Kuba-Analyst Erisman so. Der sieht die US-Administration in der Defensive, weil viele US-Aktivitäten, um die Opposition zu schwächen, dem Diskurs des Präsidenten widersprachen. Das gilt zum Beispiel für den kubanischen Twitterdienst ZunZuneo, der in diesem Sommer für Schlagzeilen sorgte, aber auch für die systematische Abwerbung von Ärzten. „ZunZuneo“ wurde dabei mit Mitteln der Hilfsorganisation Usaid finanziert und sollte eine „Rebellion auf der Insel“ initiieren.

Derartige Aktivitäten könnten mit dem Kurswechsel in der Kubapolitik der USA der Vergangenheit angehören.

KNUT HENKEL / BERND PICKERT