Ganz dick im Geschäft

Tetje Mierendorf hätte ein respektabler Opernsänger, Elvis-Imitator und Musicalstar werden können, doch der Hamburger Comedian zog es vor, zum Privatfernsehen zu gehen. Schade eigentlich, jetzt spielt er den „Glücksvollzieher“ bei Kabel1 (erstmals heute Abend, 21.15 Uhr), der ahnungslose Menschen überrascht

Alles war bereitet für eine Karrieremischung aus Gesang, Bühne und Film. Es wurde ein Desaster – ein auskömmliches

von JAN FREITAG

Eigentlich dürfte es diesen Mann gar nicht geben. Nicht mit diesen Ausmaßen, nicht mit diesem Lebenslauf. Und schon gar nicht im Fernsehen. Denn das verlangt nach schönen, schlanken, glatten Menschen. Unansehnliche, dicke, kantige gehen eigentlich nur als Bösewichte und Günther Strack durch. Und doch gibt es Tetje Mierendorf – und zwar zunehmend, im wahrsten Sinne des Dorfes.

Wer Tetje Mierendorf nicht kennt: Der Hamburger Jung’ begann seine TV-Karriere nach ein paar Nebenrollenintermezzi rülpsend, grölend, schwitzend, schmatzend, nervend als „Mein großer, dicker, peinlicher Verlobter“ bei Sat 1, wobei ihm das Groß-Dick-Peinlich spätestens von da an zum puren Selbstzweck geriet. Feist und nervig spielte er damals den Horrorschwiegersohn in spe als Fleisch gewordene Körperausdünstung. Zielgruppengerecht, so ließe sich spotten. Denn das Privatfernsehen hat nichts anderes verdient als Typen, besser: Codesysteme wie den Hünen aus Hamburg.

Stellt sich die Frage, ob Tetje Mierendorf auch das Privatfernsehen verdient hat. Antwort: Er hat. Ins Sprichwort gewandet: „Wes’ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing’.“

Es hätte aber auch anders kommen können. Bald nach seiner Geburt vor 35 Jahren wollte Tetje schließlich Opernsänger werden und ließ sich später volle zehn Jahre dazu ausbilden. Weil es aber mit der Scala nicht so recht klappte, wurde er immerhin eine respektable Musicalstimme und ganz nebenbei – unter dem Namen XXLvis – ein wirklich guter Elvis-Presley-Imitator. Vor dem Abitur am Hamburger Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium, so erinnern sich Schulkollegen, war er eine klassische Rampensau und der einzige Junge im Jazzdance-Kursus, nach dem Abitur versuchte er sich kurzzeitig Banklehrling und schließlich wieder Tänzer, Sänger, Rampensau, unter anderem mit seiner eigenen Band „Invain“.

Alles durchaus respektabel. Doch dann kam das Fernsehen. Gut, bis zum Weg vor die Kamera spielte er in erfolgreichen Kiez-Singstücken von der „Rocky Horror Show“ über „Buddy“ bis „Grease“. Das war auch nicht eben die Krone der künstlerischen Schöpfung, aber Mierendorf keineswegs jener Klamaukkomiker, den er seit 2004 in der rasant abflachenden ProSiebenSat1-Gruppe gibt. Dabei hat der gelernte Schauspieler durchaus ernsthaft begonnen: Er wirkte im oscarprämierten Studentenfilm „Die rote Jacke“ mit, dessen Regisseur Florian Baxmeyer ihn daraufhin zum harmlosen, aber immerhin grundsoliden „Großstadtrevier“ ins ARD-Vorabendprogramm mitnahm. Es war also eigentlich alles bereitet für eine Karrieremischung aus Gesang, Bühne und Film. Es wurde ein Desaster. Wenngleich ein auskömmliches.

Denn Mierendorfs Wohnsitz in der längst überschätzten Improvisationsshow „Schillerstraße“ liefert Comedy-Stars ohne Hemmungen wie ihm ein ebenso gutes Einkommen wie die alberne „ProSieben Märchenstunde“. Und nun mimt Tetje eben den „Glücksvollzieher“ bei Kabel 1, seine erste Hauptrolle, wenn man so will, bei der er nicht ausfallend, laut oder aufdringlich wird. Doch wir wollen den Mantel des Schweigens über ein Format legen, dessen Idee, ahnungslose Menschen mit irgendetwas zu überraschen, so steinalt ist, dass eigentlich nur eines daran bemerkenswert scheint. Man ahnt es: Der neueste Bote ist – tja: dick. Wie putzig.

„Das ist nun mal mein Markenzeichen“, erklärt der kreuzsympathische Mittdreißiger mit Dackelblick und eigenem Fanclub. Zu Ersterem passt im Übrigen auch seine Einschätzung, die Moderation der neuen Dokusoap sei doch schon mal ein Anfang auf dem Weg zu mehr Seriosität. Wer ihm das abkauft, hält freilich Telenovelas fortan für Dokumentationen.

Dabei ist es gar nicht so, dass seine Rollen wie damals der Verlobte „Gunnar“ oder in der „Schillerstraßen“-Adaption „Frei Schnauze“ auf RTL völlig anspruchslos sind. Im Gegenteil – Improvisation ist eine Art Königsdisziplin des Schauspielens und bedarf nicht nur des Muts, sondern auch einigen Geschicks. Allerdings darf sie – so wie das Äußere –stets nur Facette, nicht Kernkompetenz bleiben. Tetje Mierendorf jedoch ist vor allem Körper. Und weil er ihn in seiner übergewichtigen Ausprägung so sehr hätschelt, schließt sich der freundliche Junge aus dem Norden sehenden Auges von jedem Casting seriöser Formate aus.

Um für „entsprechende Rollen“ besetzt zu werden und bestimmte Nischen auszufüllen, sagte er seinerzeit zum Sendestart als dicker, peinlicher Verlobter, wolle er seinen Leib nun mal nicht verstecken. Als die Produzenten also einen „objektiv nicht gut aussehenden Mann“ suchten, hielt Tetje Mierendorf die Anfrage für zu verlockend, um sie aufgrund von gekränkter Eitelkeit abzulehnen. „Die Vorbereitungszeit auf diese Rolle“, so lautet sein Credo, hatte „fast 32 Jahre gedauert. Die habe ich gebraucht, um meinen Körper so hinzukriegen, wie er jetzt ist.“

Die Grube hat sich Tetje Mierendorf also selbst gegraben. So wie seine Comedy-Kollegen Maddin nur Maul, Schmitz nur klein und Pocher nur vulgär sind, bleibt Tetje eben nur dick. Wenn er nicht aufpasst. Aber das will er ja gar nicht.