Klares Profil in der Nische

Zwischen Feuilletonerfolg und Finanzrisiko: Auf der zweiten Gartenmesse des Literarischen Colloquiums stellten deutschsprachige Kleinverlage ihre Programme vor

Für Jochen Jung ist die Sache klar: „Das Problem ist der Buchhandel. Was fehlt, ist die Vermittlung.“ Jung ist Geschäftsführer des Salzburger Verlags Jung und Jung. Seiner Meinung nach haben die kleinen Verlage vor allem unter der fortschreitenden Ausbreitung der großen Buchhandelsketten und der damit einhergehenden Vereinheitlichung des Sortiments zu leiden. Was sich nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit gut verkaufen lasse, dafür gebe es, so Jung, eben keinen Platz mehr.

Diese Ausführungen offenbaren, wie groß die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung mitunter sein kann. Denn seit einiger Zeit wird in den Feuilletons so vehement auf den Erfolg der kleinen, quirligen, jungen Verlage – wie eben Jung und Jung – hingewiesen, dass man oftmals vergisst, wie wenig das schon mit kommerziellem Erfolg zu tun haben muss. Die meisten dieser Kleinverlage gehen hohe finanzielle Risiken ein und schrammen bisweilen jahrelang nur knapp am Bankrott vorbei. Wie es tatsächlich um sie bestellt ist, davon konnten sich die Besucher am Sonnabend im Literarischen Colloquium Berlin (LCB) auf der zum zweiten Mal veranstalteten Gartenmesse der Kleinverlage ein Bild machen.

Bei hochsommerlichen Temperaturen waren zahlreiche Gäste gekommen, um am Wannsee zwischen Verlagsständen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu flanieren, Bücher zu kaufen, sich mit Verlegern zu unterhalten oder einer der zahlreichen Lesungen zu lauschen. Die Stimmung war gut, das programmatische Spektrum reichte von Max Mareks kunstvollen Papierschnitt-Bänden über zu Klampens Essays bis hin zu belletristisch orientierten Verlagen wie Blumenbar oder Liebeskind.

Die haben sich auf qualitativ hochwertige Titel spezialisiert, die durch das Raster der Großverlage gefallen sind und oft von Essay- und Reportagen-Sammlungen, Sachbüchern oder Erzählbänden flankiert werden. Dadurch, dass sich immer mehr große Verlage vom lange praktizierten Modell der Mischkalkulation abwenden, bei der erfolgreiche Bücher anspruchsvolle, aber kaum Ertrag erwirtschaftende mitfinanzieren, entstehen immer wieder Nischen – und in die stoßen die Kleinverlage konsequent vor.

Andere versuchen es mit einem geschärften, schon aus der Ferne deutlich erkennbaren Profil. Wie Voland & Quist aus Dresden, ein Verlag, der sich auf Texte aus dem Berliner Lesebühnenumfeld spezialisiert hat und den Büchern von Jochen Schmidt, Ahne oder Andreas Gläser Hör-CDs beilegt. Oder eben wie Kookbooks, diese glamouröse Diva unter den Kleinverlagen, deren Verlegerin Daniela Seel sich der deutschsprachigen Lyrik verschrieben und mit einem qualitativ hochwertigen Programm sowie wunderschöner Umschlaggestaltung bereits eine Art Kultstatus erreicht hat. Das war auf der Messe daran zu erkennen, dass der Kookbooks-Stand meist proppenvoll war und selbst zu Lesungen eher unbekannter Autorinnen wie Sabine Scho Horden gestylter junger Menschen erschienen.

Auch zu Seels Vortrag war der Veranstaltungssaal zum ersten Mal beinahe komplett gefüllt. Wenn man einen kleinen Verlag führen wolle, erklärte die junge Verlegerin, müsse man sich vor allem bewusst sein, dass sich von nun an Privat- und Berufsleben nicht mehr voneinander trennen ließen: „Beides geht nahtlos ineinander über.“ Das gelte im Übrigen auch für viele Autoren, schließlich seien die Auflagen ihrer Bücher oft so niedrig, dass nur wenige vom Schriftstellerdasein leben könnten und deshalb in ihrer Freizeit schreiben müssten.

Dass es durchaus sinnvoll sein kann, Althergebrachtes auszuprobieren, beweist der Münchner Verlag Liebeskind, der das „Modell Verlagsbuchhandlung wieder aus der Mottenkiste geholt hat“, wie Verlagsleiter Jürgen Christian Kill erklärte. Mit den Buchhandelserlösen kann Liebeskind die Fixkosten decken, gleichzeitig dient die Buchhandlung als Werbefläche für Neuerscheinungen. Solcherlei Ideenreichtum, kombiniert mit Idealismus und Mut zum Risiko: Das ist es, was die Kleinverlage von den großen unterscheidet. Ein Patentrezept gibt es nicht. Jeder tut das, was er am besten kann, und viele können so zumindest überleben. „Der Leser“, das hat auch Jochen Jung erkannt, „ist da.“ Er muss nur noch zu den Büchern finden. ANDREAS RESCH