Die Drohung bleibt bestehen

G8-PROTESTE Als die Polizei 2001 in Genua Globalisierungskritiker angriff, gerieten auch drei BremerInnen in ihr Visier: Deren Verfahren sind zwar eingestellt, könnten aber jederzeit wieder aufgenommen werden

Sechs Wochen lang saß Monika Meyer* im italienischen Hochsicherheitsgefängnis „Ponte Decimo“ in Untersuchungshaft. Ihr drohten bis zu 14 Jahre Haft, vorgeworfen wurden ihr „Verwüstungen“ und „Rädelsführerschaft“ bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua. Das war vor zehn Jahren. Die Drohung einer Strafe bleibt bestehen, denn die Ermittlungen können jederzeit wieder aufgenommen werden.

Im Juli 2001 hatten fast eine halbe Million Globalisierungs-KritikerInnen gegen das Treffen der acht Wirtschaftsmächte in Italien protestiert. Es war zu schweren Krawallen gekommen, zahlreiche Demonstranten waren von Polizisten schwer verletzt worden. Am 20. Juli 2001 erschoss ein Carabiniere den 23-jährigen Carlo Giuliani. Meyer war eine von drei BremerInnen, die verhaftet wurden – am Montag nach dem Protest-Wochenenden, beim Campen am Strand im kleinen Ort La Spezia.

Ihre Festnahmen führten in Bremen zu zahlreichen Solidaritäts-Demonstrationen. Das italienische Konsulat wurde besetzt, die Grünen forderten die sofortige Freilassung. „Menschen dürften nicht aufgrund pauschaler Verdachtsmomente inhaftiert werden“, erklärten sie damals. Fünf Jahre lang ermittelte die italienische Polizei.

Sie hat den BremerInnen nichts nachweisen können. Die Verfahren wurden eingestellt. Jederzeit könnten sie neu aufgenommen werden. „Hätte die italienische Justiz ein faires Verfahren gegen uns geführt, hätten wir freigesprochen und entschädigt werden müssen“. Für Meyer eine politische Entscheidung.

„Die ewigen Ermittlungen und die drohende Strafe bedeuteten eine ständige Unsicherheit“, sagt Meyer. Im Laufe der Zeit sind in Genua Fälle von gefälschten Beweisen aufgedeckt worden, Verfahren gegen Polizisten blieben bis heute folgenlos. „Im Rückblick war es eine extrem hohe Belastung.“

In den Jahren nach der Festnahme arbeitete sie gegen staatliche Repression, sprach auf Konferenzen über ihren Fall, auch über die Misshandlungen durch Polizisten im Gefängnis. „Ich bin weder demotivierter, noch radikaler geworden.“ Auch heute ist es ihr wichtig zu protestieren, etwa gegen das EU-Grenzregime: „Wenn es mir der berufliche Alltag erlaubt.“ Mittlerweile forscht sie in einem kritischen Projekt zu Jugendkriminalität. JPB

*Name geändert