Auch eine Frage der Gerechtigkeit

ORGANSPENDEN Ein Transplantationsregister könnte für mehr Transparenz und Gerechtigkeit bei der Vergabe von Ersatzorganen sorgen

An den bestehenden Strukturen jedoch mögen die Autoren nicht rütteln

Der Aufschrei im Sommer 2012 war groß. Transplantationsmediziner hatten Patienten bevorzugt und andere benachteiligt. Ärzte hatten Labordaten gefälscht, Urin in Blutröhrchen gemischt, Dialysen vorgetäuscht. Ärzte hatten eigenmächtig entschieden – über Lebenschancen schwerkranker Menschen: Die Manipulationen bei der Vergabe lebensrettender Spenderorgane an mehreren deutschen Transplantationskliniken gelten als einer der größten Medizinskandale der Bundesrepublik.

Als Erkenntnis setzt sich zunehmend auch bei politischen Entscheidungsträgern durch: Die Frage, nach welchen Kriterien die knappen Spenderorgane verteilt werden sollen, ist keine rein medizinische. Sie ist eine Frage der Gerechtigkeit. Um sie beantworten zu können, braucht es – auch und vor allem – verlässliche und transparente Daten: Wie sind die Überlebensraten nach einer Transplantation, kurz- wie langfristig sowie im internationalen Vergleich? Welchen Nutzen haben Organverpflanzungen für welche Patientengruppe? Kann es sein, dass die Transplantation eines qualitativ weniger guten Organs die Lebenszeit eines Patienten schlussendlich vielleicht sogar verkürzt? Beeinflusst die Anzahl der jährlichen Transplantationen die Ergebnisqualität eines Zentrums?

Nach Jahren des Wegschauens will man diese Dinge in Deutschland nun wissen: Diese Woche legte das „BQS Institut für Qualität und Patientensicherheit GmbH“ im Aufrag des Bundesgesundheitsministeriums sein Gutachten für ein nationales Transplantationsregister vor.

Zu beantworten war die Frage, ob eine wissenschaftliche Datenbank „die Versorgungsqualität und Verfahrenssicherheit“ zum Nutzen der Patienten verbessern könne. Das eindeutige Ergebnis lautet: Ja, es kann. An den bestehenden Strukturen jedoch mögen die Autoren, die ihre Studie auf Literaturrecherchen und Befragungen solcher Experten stützen, die das Transplantationswesen über Jahre vor Transparenz und Reformen abgeschirmt haben, nicht rütteln: „Es ist geboten, das Transplantationssystem in seiner jetzigen, dezentral organisierten Form weiterzuführen, da sich in den Analysen keine Notwendigkeit für grundlegende Veränderung ergeben hat“, heißt es in der Studie.

Sieben Institutionen, einige privatrechtlich, sowie eine Handvoll verschiedener Rechtsquellen regeln die Organspende hierzulande. Wie also sollen ihre Daten künftig verwaltet und zu Forschungszwecken miteinander vernetzt werden? Das BQS schlägt drei mögliche Organisationsformen vor: erstens das Modell einer zentralen Datenstelle, bei dem die Institutionen sich auf freiwilliger Basis und ohne organisatorischen Rahmen zusammenfinden würden. Zweitens ein Kooperationsmodell, bei dem der Gesetzgeber einen Organisationsrahmen für die Zusammenarbeit vorgäbe. Und drittens ein Institutsmodell nach französischem Vorbild, das hohe Effizienz durch zentrale Regelung verspricht, aber der Tradition der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen entgegensteht.

Allen drei Modellen gemeinsam wäre laut BQS eine Geschäftsstelle als Kernelement, die separat gegründet oder bei einer bereits bestehenden Institution angesiedelt werden könnte. Ihr obläge die praktische Umsetzung der organisatorischen, informationstechnischen, fachlichen und methodischen Maßnahmen, die wiederum durch die Träger des Verfahrens auf den Weg gebracht wurden.

Darüber hinaus brauche es eine „klare gesetzliche Grundlage“, die die Datentransfers und -nutzungen ermögliche, mahnt das BQS. Für realistisch halten die Gutachter, dass das Register nach einer zweijährigen Erprobungsphase in den Routinebetrieb übergehen könnte.

Der Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kündigte an, „jetzt Gespräche mit allen Beteiligten auf[zu]nehmen, um die Errichtung des Registers zügig voranzutreiben“.

HEIKE HAARHOFF