ORTSTERMIN: MIT DEM DM-GRÜNDER GÖTZ WERNER AM WICKELTISCH
: „Bei den Windeln zahl’ ich drauf“

Noch energischer als sein Händedruck ist Werners Rückhand beim Tischtennis in der Redaktion

Kräftiger Händedruck, das war zu erwarten, schließlich war der Mann mal deutscher Jugendrudermeister: Götz Werner, der dm-Gründer, Drogisten- und Grundsicherungs-Guru. Während gestern bei parallelen Pressekonferenzen in Karlsruhe, Hamburg, Frankfurt, Berlin, Düsseldorf und München verkündet wurde, dass dm seinen Umsatz auf „deutlich über sechs Milliarden Euro“ steigern konnte, kommt Werner in die taz.bremen-Redaktion – und plaudert über die Ambivalenz wirtschaftlichen Wachstums.

Noch energischer als sein Händedruck ist Werners Rückhand. Allerdings: Die redaktionseigene Mini-Tischtennisplatte ist zu klein für Werners Schmetterschlag. Wie war das mit der jeweils richtigen Größenordnung? Man müsse Wachstum „bewusstseinsmäßig durchdringen“, sagt Werner. Das Ergebnis dieser anthroposophisch inspirierten Analyse: Betriebe müssen sich verändern, so bleiben sie attraktiv, was wiederum – quasi von allein – zu Wachstum führt. Etwa im Norden. Der war aus Sicht der Karlsruher dm-Zentrale eine bislang noch eher ungenutzte Fläche.

Aber deswegen ist Werner nicht hier, sagt er, sondern um abends einen Vortrag in Oldenburg zu halten. Titel: „Der Erfolg hat Folgen“ – womit nicht Werners aktuelles Ranking in der Liste der reichsten Deutschen gemeint ist. Der Erfolg hat natürlich auch Gründe. „Der Kunde muss zufriddener rauskomme, als er noigange isch“, wie es Werner, der Kurpfälzer, auf den Punkt bringt. Nun wird es Zeit, diesen Anspruch in der nächstgelegenen Filiale zu verifizieren.

Bremen hat mittlerweile vier dm-Filialen, Hamburg 12, dort ist der Umsatz 2013/14 um 42 Prozent gestiegen. Nach einem Plus von auch schon satten 36 Prozent im Vorjahr. Werner geht mit großen Schritten voran. „Isch das das Bremer Rathaus?“, fragt er vor der Handwerkskammer. Beide Gebäude haben eine Weserrenaissance-Fassade, vor allem aber ist es wirklich schon eine Weile her, dass Werner zum berühmten Schaffermahl im Rathaus eingeladen war: „Da war Kohl grad’ geworden.“ Jetzt wäre das sechs-gängige Gelage ohnehin nichts mehr für den 70-Jährigen. Seit drei Jahren lebt er vegan. „Da hat mich meine Tochter drauf gebracht.“

Die strahlt uns jetzt aus dem dm-Kundenmagazin entgegen. Ebenso wie die MitarbeiterInnen, die sich über den unangemeldeten Besuch des Patriarchen tatsächlich zu freuen scheinen. Ins operative Geschäft ist Werner nicht mehr involviert, er propagiert jetzt lieber die Grundsicherung für alle. Die Details des Geschäfts interessieren ihn jedoch noch immer: „Bei den Windeln zahl’ ich drauf“, sagt er zum Beispiel nüchtern, während wir durch die Gänge streifen. Aber da er nun mal höchstselbst die öffentlichen Wickeltische in den derzeit 1.622 deutschen Filialen eingeführt hat, müssen die im Sortiment bleiben. „Isch halt der Loss Leader“, sagt Werner, das Lockvogel-Angebot.

Vor knapp zehn Jahren kam dm nach Hannover, ins Rossmann-Hauptquartier. 2008 bekam Budnikowsky in Hamburg Gesellschaft. Die Schlecker-Schließung bescherte weiteren Zugewinn. Dennoch gilt: immer das Wachstum durchdringen! Werner sieht sich um. „Zum Glück“, sagt er dann, „isch der Laden nicht überfrequentiert.“ HENNING BLEYL