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: Leider fehlt die innere La-Ola-Welle: „Mieses Karma“ von David Safier

Mögen Sie heitere Romane? Kein eruptives Lachen unterbricht das Lesen, kein überglänztes Strahlen; es ist ein Dauerschmunzeln, das die launige Prosa begleiten soll, und man nimmt es sich irgendwann aus dem Gesicht, weil es doch bloß dem Pflichtgefühl entsprang. Heinrich Spoerl, Horst Wolfram Geißler, wenn ich nicht aufpasse, versteige ich mich zu dem Wutgedanken, seine Blütezeit erlebte der heitere Roman unter dem NS.

Kim Lange, 32, wird den Deutschen Fernsehpreis erhalten als Moderatorin eines erfolgreichen Polittalks. Innig liebt sie ihre kleine Lilly, leider verliert sie langsam den Appetit auf ihren Alex. Dabei war früher der Sex mit ihm super; während der Sex mit den Kerlen davor kein Grund war, „die innere La-Ola-Welle zu machen“, um Ihnen eine Probe dieser Heiterkeit zu geben. Als Ulrich Wickert sie auf die Bühne bittet, platzt ihr Abendkleid, und darunter trägt sie keine Unterwäsche. Das wird, fürchtet sie, ein Klassiker der Pannenshows für die nächsten hundert Jahre.

Später aber, im Hotel, wer klopft an ihre Zimmertür, eine Flasche Schampus unterm Arm? David Kohn, ihr supertoller Kollege, nach dem sie schon lange jiepert. Supersex, die ganze Nacht. Sollte sie Alex zugunsten von David verlassen? Als sie auf der Dachterrasse des Hotels dem Supersex mit den beiden nachsinnt, wird sie erschlagen. Vom Waschbecken einer russischen Raumstation, die abstürzt und in der Erdatmosphäre verglüht. Nächtens auf der Dachterrasse eines Kölner Hotels vom Waschbecken einer russischen Raumstation erschlagen, ja. Wieder weigern sich meine Komiknerven, die innere La-Ola-Welle zu machen.

Für Kim Lange beginnt eine lange Wanderschaft, bis sie wieder bei Lilly und Alex anlangt. Das Waschbecken aus der russischen Raumstation ruft den Buddhismus auf den Plan, dem die Medienfuzzis so zahlreich anhängen, wie es heißt. Das schlechte Karma, das die Fernsehmoderatorin bislang angesammelt hat aufgrund ihrer leichtsinnigen Lebensweise, bewirkt eine Wiedergeburt als Ameise. Als Ameise, ja. Glücklicherweise in Potsdam, bei ihrem gemütlichen Heim, wo sie ihrer süßen Lilly nahe sein und gleichzeitig kontrollieren kann, wie ihren Alex eine gewisse Nina umgarnt. Zärtlich hockt die Ameise auf Lillys Wange. Später schluckt Nina sie achtlos auf einem Kuchenstück hinunter.

Und so schreitet die Seelenwanderung fort. Die Fernsehmoderatorin findet sich als Meerschweinchen wiedergeboren sowie als Kuh und Regenwurm, als Kartoffelkäfer und Eichhörnchen. Sobald sie als Beagle in Erscheinung tritt, wissen wir sie ihren Lieben näher kommen. Doch hat sich das Dauerschmunzeln längst in bleierne Unlust verwandelt. Das kommt daher, dass sich David Safier so gar keine Mühe gibt, die Perspektive der Ameise, des Meerschweinchens usw., wie sie die Menschenwelt sehen, literarisch zu imaginieren. Geschweige dass es ihm gelänge, aus dieser Perspektive die Komik der Menschenwelt zu erfassen.

Dem Buch liegt ein einfacher Fehler zugrunde, der es völlig verdirbt. David Safier zeichnete sich durch TV-Drehbücher aus; vor allem die Serie „Berlin, Berlin“ erhielt viel Lob. Sein Roman will keine Vorabendserie sein, vielmehr einer dieser Computeranimationsfilme, mit denen uns das Pixar-Studio und seine Nachfolger so glücklich gemacht haben. Aber „Ice Age“ oder „Findet Nemo“ sind eben mit überwältigendem Einfallsreichtum und unerschütterlicher technischer Raffinesse angefertigte Filme. Um ihren Reichtum und Zauber in einen Roman zu transformieren, bräuchte es angestrengte literarische Arbeit. Zu der David Safier die Kräfte oder die Lust fehlten. „Es gibt Männer, die gut riechen“, räsonniert Kim Lange als Beagle. „Es gibt Männer, die phantastisch riechen. Und es gibt Alex. Und mit einer Hundenase roch er für mich noch besser als früher.“ Wie wuchs Alex plötzlich die Hundenase? MICHAEL RUTSCHKY

David Safier: „Mieses Karma“. Rowohlt, Reinbek 2007, 282 Seiten, 16,90 Euro