„Verbot der Rebellen verlängert den Konflikt“

Menschenrechtler Wimal Fernando aus Sri Lanka über den Krieg und die Fehler der internationalen Politik

Der 66-jährige WIMAL FERNANDO setzt sich als einer der bekanntesten Menschenrechtler Sri Lankas seit Jahrzehnten für eine friedliche Lösung des Konflikts ein. Er ist Gründer der Bürgerrechtsorganisation Movement for the Defence of Democratic Rights und Initiator des Movement for Fair and Free Elections.

taz: Seit Monaten toben im Osten Sri Lankas Kämpfe zwischen Regierungstruppen und den Tamilenrebellen von der LTTE. Warum hielt der Waffenstillstand von 2002 nicht?

Wimal Fernando: Der Kern des Problems ist die Frage, ob es Autonomie für die von der LTTE kontrollierten Gebiete geben kann und wie die Provinzen aufgeteilt werden könnten. Dazu kamen Einzelereignisse, die die Situation aufheizten wie der Wahlboykott, zu dem die LTTE alle Tamilen aufrief. Nun haben wir eine Regierung, die für Dezentralisierung nichts übrig hat.

Was wissen Sie über die Lage der Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten?

Wir haben kaum Zugang dorthin. Schätzungen gehen von 200.000 Flüchtlingen aus. Sie leben unter abscheulichen Bedingungen. Jetzt ist Regenzeit. Nach dem Tsunami wurde unter ihre Zelte noch eine Art festes Fundament gesetzt. Jetzt leben sie wirklich im Schlamm. Es ist wirklich Glück, dass es bislang keine größeren Krankheitsausbrüche gab.

Ist eine Schwächung der Rebellen bereits spürbar?

Selbst die Regierung räumt ein, dass das kein schneller Sieg wird. Es scheint aber, dass die LTTE inzwischen weniger Kämpfer aus den von ihr kontrollierten Gebieten im Norden in Richtung Osten schickt. Militärisch im Nachteil, zielt die LTTE auf Zivilisten. Terroranschläge nehmen zu. Mit den ersten Luftangriffen der LTTE hat der Konflikt eine neue Stufe erreicht. Alles deutet darauf hin, dass die Armee darauf mit einer Großoffensive im Norden des Landes antworten wird.

Wie hat sich der Konflikt auf die Menschenrechtssituation im ganzen Land ausgewirkt?

Der Bewegungsspielraum für Menschenrechtler ist eng geworden. Sie werden als unpatriotisch und auf der Seite der Rebellen stehend gebrandmarkt. Amnesty international verteilte kürzlich während des Cricket-Worldcups Bälle mit der Aufschrift „Spielt nach den Regeln“, um Menschenrechtsverletzungen zu kritisieren. Das war ein Riesenskandal. Politiker prangerten amnesty öffentlich an, weil sie angeblich unsere Spieler demoralisieren würden. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, dagegen vorzugehen. Damit stachelt man Mobs an, die Menschenrechtler angreifen.

Wo sehen Sie Möglichkeiten für neue Friedensgespräche?

Wir als Vertreter der Zivilgesellschaft waren zu schnell zufrieden mit dem Erreichten. Wir mussten bitter erfahren, dass nicht Frieden herrscht, nur weil gerade nicht gekämpft wird. Wir brauchen eine stärkere Lobby für einen bedingungslosen Waffenstillstand. Doch das geht nur mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft.

Sind Sie zufrieden mit dem, was das Ausland tut?

Der Umgang mit Sri Lanka zeigt, wie sehr jedes Land seine eigene Agenda hat. Die LTTE als Terrororganisation einzustufen, mag sich in einem entfernten Land gut anhören. Man kann sich hinstellen und sagen: „Schaut, wir tun was gegen Terroristen.“ Die Situation im Land hat das Verbot nicht verbessert. Die LTTE hat einfach andere Strategien gefunden, um an Geld zu kommen.

Sollte Deutschland sich im Rahmen der EU-Präsidentschaft für die Aufhebung des von Brüssel ausgesprochenen Verbots der LTTE stark machen?

Zum Abschluss von Gesprächen in Sri Lanka ist der für Süd- und Zentralasien zuständige US-Staatssekretär Richard Boucher am Donnerstag mit Präsident Mahinda Rajapakse zusammengetroffen. Die USA bemühten sich darum, die Regierung und die tamilischen Rebellen wieder an den Verhandlungstisch zu bringen, erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums. Boucher traf sich in Colombo auch mit Vertretern der aus den USA, der EU, Japan und Norwegen bestehenden Gruppe der so genannten „Co-Chairs“ zu Gesprächen. In den letzten Wochen verstärkte sich die Kritik aus dem Ausland am Primat einer militärischen Lösung. Für erhebliche Verstimmung in Colombo sorgte eine viel beachtete Debatte im britischen Parlament, bei der die Menschenrechtsverletzungen beider Konfliktparteien thematisiert wurden. Auch im Europaparlament soll Anfang Juni die Menschenrechtslage in Sri Lanka thematisiert werden. (ap/taz)

Das wäre richtig. Eine Guerilla-Organisation ist durch ein Verbot nicht aufzuhalten. Man verlängert dadurch nur den Konflikt.

Deutschland – einer der größten bilateralen Geber für Sri Lanka – hat letztes Jahr Tsunami-Hilfsgelder für Sri Lanka auf Eis gelegt. Der richtige Weg, um Druck zu machen?

Das war ein guter, deutlicher Schritt. Wenn Projekte nicht durchführbar sind, sollte es dafür auch kein Geld geben. Aber eine konsistente Politik kann ich auch bei den Deutschen nicht erkennen. Erst stoppen sie Gelder, dann geben sie wieder welche. Warum, ist schwer zu ergründen.

INTERVIEW: ANETT KELLER