„Es zahlt sich nicht mehr aus, Raubritter zu sein“

Das Thema „Karma-Kapitalismus – Werte statt Preise“ beschäftigt heute Wirtschaftsexperten, Philosophen und Unternehmer beim 12. Trendtag in Hamburg. Sprechen wird dort unter anderem Peter Wippermann, dessen Hamburger Trendbüro den Trendtag ausrichtet

PETER WIPPERMANN, Jahrgang 1949, ist Professor für Kommunikationsdesign an der Uni Essen und Gründer des Trendbüros.

taz: Herr Wippermann, was ist Karma-Kapitalismus?

Peter Wippermann: Das ist ein Arbeitsbegriff über veränderte Management-Methoden und veränderte Positionierungen von Unternehmen und Markenprodukten.

Worin besteht die Veränderung?

Zunächst darin, dass die Rolle des Staates als Versorgungsinstanz zunehmend erodiert: Kliniken werden verkauft, Schulen werden privatisiert. Das Public Private Partnership erhält in den staatlichen Versorgungsinstitutionen Einzug. Die Idee, dass der Staat eine tatsächlich praktizierte Fürsorge für seine Bürger übernimmt, geht zu Ende.

Wird damit nicht das Feld frei für die so genannten Heuschrecken?

Unsere Beobachtung ist, dass das nicht passieren wird. Weil diejenigen, die soziale Verantwortung übernehmen, daran gemessen werden, ob sie die Verantwortung auch einlösen. Und diejenigen, die sie einlösen, mehr Geld verdienen, als die, die sie nicht einlösen. Die Infrastruktur unserer Gesellschaft ist eine Netzwerk-Struktur. Und in Netzwerken ist die Voraussetzung, dass man kooperiert, dass man den Dialog wählt und nicht den anderen ausraubt und dann verschwindet. Unternehmen müssen sich in Netzwerken sozial verträglich verhalten und moralisch agieren.

Was hat das mit der Lehre der Wiedergeburt im Karma zu tun?

Wir beschreiben, dass die Idee der Wiedergeburt und das Verantwortlich-Sein für die Taten, die man begangen hat, ein Grundprinzip wird. Man kann das leicht überprüfen in der Diskussion um den Klimawandel: Wir sind alle davon betroffen und können nicht mehr sagen, wir gehen jetzt ins Ausland, machen da eine große Sauerei und verkaufen hier ökologisch korrekte Produkte. Die Informationen darüber wären über das Internet sofort verfügbar und die Auswirkungen wären auch hier zu spüren. Insofern haben wir in der realen und der virtuellen Welt Netzwerke.

Welche Handlungsempfehlung leiten Sie daraus ab für die Unternehmen?

Für Unternehmen ist leicht nachzuvollziehen, was die indische Glaubenslehre proklamiert, nämlich: Haltung, Beständigkeit und Kooperationsfähigkeit. Also: Man muss für eine Idee stehen und darf diese Haltung nicht alle drei Minuten ändern. Und man muss bereit sein, zu kooperieren, also bereit sein, nicht seine eigenen Profitabsichten alleine durchzusetzen, sondern dem anderen auch Möglichkeiten bieten, sein Leben zu gestalten. Weil das die Voraussetzung ist, dass man das eigene Unternehmen führen kann. Es zahlt sich einfach nicht mehr aus, Raubritter zu sein.

Dennoch haben es die Raubritter zu großartigen Burgen gebracht.

Aber sie haben in dem Moment abgewirtschaftet, als der Handel, der Austausch effektiver wurde und größeren und schnelleren Reichtum gebracht hat, als das Überfallen der Warentransporte. Wenn wir uns daran erinnern, dass die Hanse ein Kooperationsnetzwerk war, das Standards gesetzt hat und Berechenbarkeit mit sich gebracht hat, dann wissen wir, dass es in der Geschichte von Wirtschaftssystemen immer solche Phasen gab, wo Kooperation einfach viel mehr Reichtum gebracht hat, als Ausbeutung.

Aber finden die Kooperationen auch zwangsläufig auf Augenhöhe statt?

Dazu muss man sehen, auf welchen Feldern sich der zukünftige Profit entwickelt. Die Voraussetzung für den zukünftigen Wohlstand ist das Individuelle. Auch heute schon haben die persönlichen Produkte die höchste Wertschöpfung. Produkte, die erst nach meinen persönlichen Informationen hergestellt werden können, also: Mein persönlicher Turnschuh, meine individuelle Medizin. Alles wird in digitalen Fabriken der Zukunft erst produziert, wenn der Kunde sagt, was er haben möchte. Das ist eine völlig andere Situation als bisher, wo man Produkte herstellt, einen Preis festsetzt und wartet, dass jemand das Produkt kauft.

Woher kommt der Begriff Karma-Kapitalismus?

Der Begriff wird in der amerikanischen Business-Szene benutzt um deutlich zu machen, dass sich die Management-Ausbildung geändert hat. Im Management war es in den 90er Jahren üblich, die alten chinesischen Heerführer zu studieren und zu überlegen, wie man Kriege führt. An den jetzigen Elite-Universitäten im Management gibt es einen starken Einfluss von indischen Professoren. Die Idee, dass man immer die Handlung des alten Lebens als Voraussetzung des neuen Lebens begreifen muss, findet sich auch in Netzwerken: Was man in Netzwerken veranstaltet, wird einem immer wieder vorgehalten.

INTERVIEW: KLAUS IRLER