Grüne wollen sozial sein

Parteitag der GAL beschließt umfangreiches Sozial- und Arbeitsmarktprogramm. Mehr Geld für die soziale Stadtteilentwicklung, weniger Druck für Hartz IV-Bezieher. Debatte über City-Maut vertagt

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Die GAL will die Hartz IV-Sätze anheben und die Bedarfsgemeinschaften beim Berechnen der Hilfeleistungen abschaffen. Mietschulden sollen übernommen und nicht nur gestundet werden. Das alles gehört künftig zu den Kernpunkten grüner Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Ein umfangreiches Konzept zu diesem Thema beschloss die Mitgliederversammlung der GAL am Samstag in Wandsbek. Damit rangieren zehn Monate vor der Bürgerschaftswahl Verbesserungen für sozial Schwache weit oben im grünen Programm.

Es sei eine Kampfansage gegen die „gespaltene Stadt“, welche die Politik des CDU-Senats fördere, begründete Sozialpolitikerin Martina Gregersen den 14-seitigen Antrag, der nach rund dreistündiger Debatte nahezu einstimmig angenommen wurde. Damit sei ein detailliertes „Programm für soziale Stadtentwicklung gekoppelt worden mit einem qualifizierten Arbeitsmarktprogramm und konkreten Vorstellungen für eine soziale Grundsicherung“, freute sich Parteichefin Anja Hajduk.

Gut ein Sechstel aller HamburgerInnen, mehr als 200.000 Menschen, sind zurzeit von Arbeitslosengeld II abhängig, darunter rund 54.000 Kinder. Dies sei eine direkte Folge der CDU-Politik, kritisierte Gregersen. Der Senat fördere einseitig Leuchtturmprojekte und Großunternehmen. Bei der Ausbildung, beruflichen Bildung und beim Arbeitsmarkt werde hingegen gespart. Dieses „Auseinanderdriften“ müsse gestoppt werden.

Und das gehe nicht mit dem angekündigten „Feuerwehrprogramm“, mit dem der Senat über vier Jahre verteilt zehn Millionen Euro über benachteiligte Stadtteile „kleckern“ wolle. Nach grünen Vorstellungen sind pro Jahr 100 Millionen Euro für die soziale Stadtentwicklung notwendig. Unter anderem müssten mehr bezahlbare Mietwohnungen gebaut werden, um zu verhindern, dass sich einzelnen Quartiere in Ghettos verwandeln.

„Unser Sozialstaat muss reformiert werden“, sagte Hajduk. Er müsse auf die individuellen Bedürfnisse gerade von Frauen, Kindern und Senioren zugeschnitten werden. „Hier müssen wir die soziale Flanke schließen, die der Senat aufgerissen hat.“

Die größte Auseinandersetzung gab darüber, wie die Eigeninitiative und das Gemeinwohl gefördert werden könnten. Nach mehreren Abstimmungen wurde beschlossen, dass gemeinnützige Beschäftigung grundsätzlich freiwillig sein soll.

Von der Basis niedergestimmt wurde der Begriff der „im Stadtteil verankerten sinnstiftenden Bürgerarbeit“. Dieser sei falsch, befand die große Mehrheit der rund 100 anwesenden Grünen, weil er an „ehrenamtliche Tätigkeit für besser Situierte“ denken lasse. Gewollt sei aber „bezahlte Beschäftigung“ vor allem für Langzeitarbeitslose, die ihnen auch die Chance bieten solle, wieder einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu ergattern. Nun muss bis zur Vorlage des Wahlprogramms im Herbst ein „griffiges und unmissverständliches Etikett“ gefunden werden.

Vertagt wurde ein Antrag, der die Einführung einer City-Maut für Autofahrten in die Innenstadt fordert. Dagegen hatten sich mehrfach die Verkehrs- und Umweltpolitiker der Bürgerschaftsfraktion, Jörg Lühmann und Christian Maaß, ausgesprochen. Sie favorisieren das mildere Mittel einer Umweltzone mit geringeren Restriktionen für den Individualverkehr nach dem Vorbild von Berlin und Hannover. Auch fürchten manche Spitzengrüne, mit einer City-Maut potenzielle WählerInnen abzuschrecken.

Nun sollen, so der Kompromiss, zwei Informationsabende unter anderem mit einer grünen Abgeordneten aus Stockholm veranstaltet werden. In der schwedischen Hauptstadt war im September die City-Maut nach einer neunmonatigen Probephase bei einem Bürgerentscheid mit 58 Prozent abgesegnet worden. Nach diesen Weiterbildungsabenden will die GAL das Thema erneut diskutieren.