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Party in der Sparkasse

Nachts ist es dann doch noch zu kalt für Freiluft-Partys. Deshalb hatten sich diese Jugendlichen wohl auch mit ihrem Ghettoblaster und ihren Bierflaschen in den Vorraum der Sparkassenfiliale in der Danziger Straße zurückgezogen. Um diese Uhrzeit will da sowieso niemand mehr Geld abheben oder überweisen. Warum dann nicht mal wieder eine neue Form der kreativen Zwischennutzung ausprobieren. Das fanden anscheinend auch andere, denn innerhalb kürzester Zeit war der kleine Vorraum voll, und draußen vor der Tür bildete sich eine Menschentraube. Man hätte meinen können, hier habe ein neuer Club eröffnet.

Eigentlich wollte ich nur einen Film in der Videothek abgeben, aber jetzt stand ich mit der DVD in der Hand auf der gegenüberliegenden Straßenseite wie ein kleiner Junge und sah fasziniert zur Sparkasse hinüber. Drinnen wurde mittlerweile getanzt. Eine Handvoll selbst ernannter Gogotänzer stand auf den Geldautomaten und Kontoauszugsdruckern. Man prostete sich mit den Bierflaschen zu, öffnete Chipstüten und reichte eine Sektflasche herum.

So etwas hat es in meiner Jugend nicht gegeben, ging mir ein Satz meines Großvaters durch den Kopf, und er hatte vollkommen Recht. Aber mir gefiel, was ich da sah. Ob man diese spontane Party nun als symbolische Kritik am Kapitalismus verstehen wollte oder ob man sich eingestand, dass sie vielleicht völlig unpolitisch war – sie schien einen Heidenspaß zu machen. Gerade als ich mich dazu entschloss, den Film später abzugeben, kamen aus vier verschiedenen Richtungen Polizeiwagen angefahren. Ich betrachtete die Blaulichter. Dann betrachtete ich die DVD in meiner Hand. Armer King Kong. Ihn hatten sie auch erwischt. DANIEL KLAUS