Das gibt es auch im Harz

Wellness, weltweit. Der Wohlfühltrend ist auch in der Türkei ausgebrochen. Doch die schicken Spas bleiben oft leer. Wer will schon 90 Grad Saunahitze im Hochsommer?

Türkische Riviera, Strandhotel, lähmende Hitze, rund 40 Grad. Nicht einmal der Pool bietet Abkühlung. Kein Mensch will bei diesen Backofentemperaturen in die hoteleigene finnische Sauna. Trotzdem lässt der Urlaubsclub die Sauna Tag für Tag von neuem anheizen, als Gratisservice. Ins kostenpflichtige warme Schokobad im Thai-Ambiente will auch niemand steigen – obwohl das Team des Spa-Bereichs täglich ausschwärmt, um die Gäste vom brandneuen Wellnesspaket zu überzeugen.

Auch viele andere Hotels am Strand von Titreyengöl bei Side schwimmen auf der Spa-Welle mit. Die einen mehr, die anderen weniger engagiert, ganz gleich ob unter türkischer, deutscher oder österreichischer Leitung. Kaum eine Urlaubsanlage in der Türkei, die auf sich hält, scheint sich dem allgemeinen Wellnesstrend zu verweigern. Doch die Begeisterung der Gäste hält sich häufig genug in Grenzen. So manche Wellness-Oase bleibt verwaist, obwohl das Hotel zur Hochsaison ausgebucht ist und die Therapiepreise für deutsche Verhältnisse akzeptabel sind. Viele Angebote muten einfach zu kurios an. Wer will schon im Hochsommer in die 90-Grad-Sauna? Oder eine „original“ Thai-Massage in einem muslimischen Land, ausgeführt von türkischen Bademeistern mit Ruhrpottslang? Die landestypische Hamam-Tradition, also das türkische Badehaus, spielt in vielen der neuen „Wohlfühl-Oasen“ dagegen kaum eine Rolle mehr.

„Für die Hotels ist der Wellnessbereich ein Aushängeschild“, meint Ulf Sonntag von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) in Kiel. Die meisten Manager hätten schlichtweg „Angst, dass ein Nichtangebot zum Ausschlusskriterium bei der Urlaubsbuchung wird.“ Ob sich die Investition betriebswirtschaftlich jemals auszahle, stehe auf einem anderen Blatt. „Das Wellness-Segment wird von der Reisebranche überbewertet“, stellt der Tourismusforscher fest. „Das alles gibt’s auch im Harz.“ Bei Hildegard Dorn-Petersen, Expertin des Deutschen Wellness Verbands, löst die derzeitige Spa-Entwicklung in der Türkei Kopfschütteln aus. „Die meisten Einrichtungen sind in diesem Land wie Fremdkörper, viele Gäste spüren das“, erklärt sie. Schokobäder, Buddhas und Räucherstäbchen hätten nichts mit den landestypischen Traditionen zu tun. Viele Wellnessbereiche seien europaweit austauschbar, „ohne Sinn und Verstand“ geplant und gebaut.

Zum Vergleich: Tunesien beispielsweise hat sich nach Einschätzung der Wellnessexpertin mittlerweile eine Kompetenz in Sachen Thalasso-Therapie, also der Kur mit Meerwasser, erworben. Die traditionellen Anwendungen seien gefragt – und die Touristen in der Regel auch bereit, für qualifizierte Dienstleistung und qualifiziertes Personal „mehr Geld auszugeben“. AP