Amen, Yeah!

Eine seltsame Veranstaltung: Noch drei Abende lang veranstaltet der Verein „ProChrist“ in Hamburg eine Riesenparty mit Livemusik und Kreischgarantie für feierfreudige Nachwuchsprotestanten, die live in 750 Orte übertragen wird

So richtig poppige Christen betonen anders. „Amen“, schreit eine aufgekratzte Moderatorin durch die proppenvolle Halle und haut dabei ihr Stimmvolumen aufs mittige E. AmEn also. Es folgt ein sattes „Yeah!“ – und 2.000 Jugendliche brüllen zurück, als seien die „Jesus Freaks“ eine Massenorganisation. Seit Dienstag läuft in Hamburg die diesjährige Auflage von „JesusHouse“, einer multimedialen Bierzeltplattform feierfreudiger Protestanten aus halb Europa, die ihre temporären Großraumdiskotheken seit 1993 alle zwei, drei Jahre woanders aufbauen. Dieses Jahr geht der christliche Erweckungsschrei von der alten Auktionshalle am Hamburger Fischmarkt aus per Satellit durch die ganze Republik und ein wenig darüber hinaus. Abendliche Liveübertragung an 750 Orte! Kollektives Frohlocken! AmEn, Yeah!

Sag noch mal einer, dass Christen nicht rocken – komme da, wer wolle: Denn das amerikanisierte Stoßgebet aus allen Kehlen folgt einer Rede von Hamburgs Landesbischöfin Maria Jepsen, der Schirmherrin, mit über 60 freilich eher jenseits des Rebellenalters und sprachlich nur mit gutem Willen zeitgemäß. „Gott liebt dich, Gott schützt dich“, sagt sie, „das ist das Wichtigste.“ Aber wer fragt schon nach Inhalten, wenn das Volk nach Parolen dürstet?

„Und jetzt einen fetten Applaus für den Ersten Bürgermeister Ole von Beust!“ Nein, wir sind nicht beim Pfingstreffen der Jungen Union, sondern noch immer im Baudenkmal mit Elbblick – doch der so Angekündigte kriegt ihn, seinen Applaus: fett und johlend. Ob wegen des C im Parteinamen oder vielleicht doch der Hitzigkeit überdrehter Teenager im Sauerstoffmangel, das sei dahin gestellt. Von Beust jedenfalls darf seine Claqueure mit irgendwas von „Spontaneität“ bis „Lebensfreude“ lobhudeln und hat seine repräsentativ-demokratische Honoratiorenschuldigkeit auch schon wieder getan. „Tschüs, ich bin übrigens naturblond.“

Gut, der C-Politiker darf auch noch kurz „tolle Gemeinschaft“ oder ähnliches über sein Religionsverständnis nachschießen. Dann aber kommt das, was doch für mehr juvenile Blutwallung sorgt: ein „Popstar“-Moderator von Pro7, ein „DSDS“-Sänger von RTL, ein Casting-Gewinner aus der Schweiz. Allesamt telegene Teilzeit-Promis mit Kreischgarantie. Den jungen Dingern im Auditorium – wie auch rund 500.000 zugeschalteten Christen von Achim bis Zürich – kann man ja auch schlecht die Generation 50+ vorsetzen. Ist doch ein Event für junge Leute. Und die, schnauzt die Moderatorin, supported niemand besser als Jesus, den man hier nur englisch ausspricht.

Ein Stand am Hallenrand bietet der anglophilen Religionsyouth passende T-Shirts mit dem Aufdruck „C.I.A.“ an, was natürlich für „Christ Is Alive“ steht. Christen-Nippes, Christen-Klamotten, Christen-Drinks, Christen-Skater, Christen-Stinos, Christen-Eltern und eine tägliche Christen-Daily-Soap mit merkwürdigem Plot. Eher langweilig, finden sechs knapp bekleidete Neuntklässlerinnen am Pfeiler und bearbeiten ihre Handys, bis DSDS-Star Thomas Enns auf der Bühne seine Sangeskarriere etwas fördern, sorry: supporten darf. Kreisch! Daneben hat ein christlicher HSV-Fanclub schwarzweißblau geflaggt. Draußen steht ein zweistöckiges Bibelmobil. Stille herrscht nur dort. Und im Betraum.

Es ist schon eine seltsame Sause, die hier noch drei Abende immer ab halb acht steigt. Die Laune ist nicht künstlich, aber verkrampft, der Ordnerstab planlos, aber resolut, das Showprogramm semiprofessionell, aber ambitioniert. Alles in allem europäisch, aber provinziell. Aber wenn’s die Gemeinschaft fördert. AmEn, Yeah! JAN FREITAG