Wahrer Rock ’n’ Roll

Großeltern des Bassisten

Von diesem Erlebnis werden sie ihrem Enkel nicht erzählen müssen, denn der steht direkt vor ihnen. Aber vielleicht erzählt es ihr Enkel einmal seinen Enkeln, das ist gut möglich.

Es ist Samstagabend, kurz vor Mitternacht, im Bassy haben gerade The Melmoths ihre Instrumente an die Verstärker angeschlossen und schicken nun die ersten Stromstöße ins Publikum. Sie spielen schnelle, kraftvolle Riffs, die direkt in die Magengrube zielen. Mitten in diesem Publikum stehen die Großeltern des Bassisten. Sie sehen genau so aus, wie man sich Großeltern vorstellt: Sie haben freundliche Großelterngesichter und tragen Großelternkleidung, die aus einem vergangenen Jahrhundert stammt. Sie einen selbstgestrickten Pullover, auf den sie eine große Brosche geheftet hat, er eine überdimensionale Allzweckjacke, in der er fast versinkt. Ich bin mir sicher, dass sie normalerweise keinen Garage Beat Punk hören, aber jetzt wippen sie in den Knien zur Musik mit und lassen ihren Enkel nicht aus den Augen. Wenn er ein Solo spielt oder gemeinsam mit dem Sänger eine Strophe singt, sieht man ihnen an, dass sie stolz sind.

Und sie fallen auf. Sie tun das auf eine sehr angenehme Weise. Sie zaubern jedem, der sie betrachtet und nach ein paar Momenten kapiert, warum sie hier sind, ein warmes Gefühl in den Bauch und ein Lächeln ins Gesicht. Ohne dass sie es wissen, bringen sie etwas Unerwartetes in diesen Abend hinein und machen das Konzert zu etwas Besonderem. Für einen langen, langen Moment, der sich über das komplette Programm der Melmoths inklusive Zugaben erstreckt, stimmt einfach alles, und es ist genau so, wie guter Rock ’n’ Roll sein sollte: Es ist echt, es ist ehrlich, und es hat eine ungeheure Wucht. DANIEL KLAUS