Die Madonna will ein Weib sein

Wie männliche Politiker hat auch Ségolène Royal im Wahlkampf ihre Verführungskünste eingesetzt. Pariser Feministinnen nehmen ihr das übel

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Mit dem Satz „Und wer kümmert sich um die Kinder?“ fing es an. Ein Spitzensozialist, der dies inzwischen bestreitet, soll den Satz gesagt haben. Selbst die Ohrenzeugen können sich heute nicht mehr „so genau“ daran erinnern. Andere hässliche Kommentare in der PS kamen dazu. „Madonna der Umfragen“, war einer davon. Er sollte bedeuten, dass Ségolène Royal zwar schön sei und deswegen erfolgreich in Umfragen, aber dass sie politisch wenig zu bieten habe.

Andere parteiinterne Kritiker warfen Royal vor, „autoritär“ zu sein. Oder „auf dem Egotrip“. Als habe es jemals einen Präsidentschaftskandidaten ohne diese beiden Eigenschaften gegeben. Wieder andere machten sich Sorgen um das Gleichgewicht in der Beziehung zwischen Parteichef François Hollande und Royal. Doch die Parteibasis der PS ließ sich von den „Elefanten“ nicht beeindrucken. Im November wählten zwei Drittel der PS-Mitglieder Royal zur offiziellen Präsidentschaftskandidatin.

Seither ist Wahlkampf in Frankreich. Und der sexistische Unterton, der sich gegen die erste Frau richtet, die auf aussichtsreichem Posten für den Élysée-Palast kandidiert, hat sich auf weite Teile der französischen Gesellschaft ausgebreitet. Nach der PS übernahmen die konkurrierenden PräsidentschaftskandidatInnen der anderen Parteien und die meisten Medien den Stil. Sie nannten Royal nach der naiven und provinzlerischen Hauptfigur eines Comicstrips „Bécassine“. Brachten das Stichwort „Inkompentenz“ in Umlauf. Und in der radikalen Linken warf man ihr vor, eine „Bourge“ zu sein – eine Bourgeoise, die gut und teuer gekleidet, frisiert und geschminkt ist.

Die meisten französischen SpitzenpolitikerInnen kommen aus der Bourgeoisie. Die meisten haben LebenspartnerInnen und Kinder. Doch einem Mann auf dem Weg in den Élysée-Palast ist so etwas nie vorgeworfen worden.

Royal hat nie aufgehört, ihre Verführungskünste einzusetzen. Das tun alle männlichen Politiker in Frankreich. Frauen in der Spitzenpolitik verstecken sich hingegen oft hinter geschlechtsneutraler Kleidung. So trägt die rechte Verteidigungsministerin Alliot-Marie Hosenanzüge, die so streng wirken wie Uniformen. Royal hat die Weiblichkeit auch inhaltlich eingesetzt: „Einen Mann würden Sie dergleichen nie fragen“, ist eine ihrer Standardantworten.

Dieses Spiel mit der Weiblichkeit und der Opferrolle nehmen ihr manche Feministinnen übel. Royal sagt, dass sie „über den Feminismus zur Politik“ gekommen sei. Doch bei feministischen Aktionen wurde sie nie gesehen. Die feministische Anwältin Gisèle Halimi, Sprecherin des Netzwerkes „Choisir – la cause des femmes“, beklagt, dass Royal im Wahlkampf kein Gespräch mit ihrer Vereinigung führen wollte.Und die Philosophin Sylviane Agacinski schreibt in einem Artikel in Le Monde unter der Überschrift „Das präsidentielle Geschlecht“ ärgerlich: „Die Franzosen wollen überzeugt werden, dass sie die Beste ist. Sie wollen nicht, dass sie das Symbol einer sexistischen Revanche wird.“

Royal ignorierte die meisten Anfechtungen monatelang. Sie überließ die Petitionen gegen den Sexismus im Wahlkampf anderen Frauen. Sie selbst sagte erst am Ende ihrer Kampagne, dass ihre Partei ihr „nichts erspart“ habe. Um dann die Frauen aufzufordern: „Ich brauche eure Unterstützung. Ich brauche die Stimmen der Frauen.“

Inzwischen schwärmt sie von künftigen G-8-Gipfeln, bei denen die Stimmung ganz anders sein werde. Ihretwegen. Wegen Angela Merkel. Und auch wegen Hillary Clinton, von deren Wahlsieg sie ausgeht.

Es gibt in dieser Kampagne in Frankreich vier Frauen unter den zwölf KandidatInnen. Alle vier stehen links. Die Rechten haben nur Männer ins Rennen geschickt. Die Frauen stellen mit 53 Prozent die Mehrheit der WählerInnen. Und alle wissen, dass Frauen eher links wählen – und sehr viel weniger rechtsextrem – als Männer.

Doch selbst wenn Royal das nicht zu ihrem Vorteil verwerten kann, hat die vierfache Mutter, die seit drei Jahrzehnten Parlamentsabgeordnete ist, mehrfach Ministerin war und seit drei Jahren die einzige Frau an der Spitze einer französischen Region ist, mit ihrer Kampagne die Stimmung in Frankreich verändert. In dem Land, in dem bislang nur 12 Prozent der Abgeordneten weiblichen Geschlechts sind, wollen alle drei KandidatInnen aus der Mitte, wollen Sarkozy, Royal und Bayrou, im Fall ihres Sieges eine Regierung bilden, die paritätisch besetzt ist. Sie sagen das jetzt wie eine Selbstverständlichkeit.