Deutsche müssen Deutschpflicht akzeptieren

Wer nicht in einem rassistischen Fitnessstudio trainieren will, darf nicht fristlos kündigen – außer er ist direkt davon betroffen. So urteilt ein Bielefelder Amtsgericht und verklagt einen Protestler zur Zahlung seiner Beiträge

BIELEFELD taz ■ Darf man einen Fitnessstudio-Vertrag fristlos kündigen, wenn der Betreiber in seinen Räumen das Türkischsprechen verbietet? Nein, urteilte gestern das Bielefelder Amtsgericht, das sei kein außerordentlicher Grund für eine Kündigung.

Der Verlierer des Prozesses ist Sebastian Nickel. „Ich habe zwar nichts anderes erwartet, aber schade ist es doch.“ Er soll dem „aktuellen Fitnessstudio“ jetzt Mitgliederbeiträge in Höhe von 500 Euro zurückzahlen. Der 33-jährige Rechtsanwalt hat sich vor Gericht selbst vertreten: „Ich empfinde diese Sprachregelung als rassistisch“, sagte er beim ersten von zwei Prozessterminen. Es sei für ihn ein moralisches Problem, dort weiter zu trainieren. Er habe vergeblich das Gespräch mit der Geschäftsleitung gesucht, um sein Motiv zu erläutern und um einen Aufhebungsvertrag zu bitten.

Hintergrund ist der Rauswurf von Dilan Nakipoglu-Floth und Volkan Aksu aus dem Studio im Januar 2006. Sie hatten sich beim Muskelaufbau auf Türkisch unterhalten. Weil sie sich dem Deutschzwang nicht beugen wollten, mussten sie gehen. Das hat anderen Trainierenden auch die Lust verdorben: Nickel und weitere Kunden haben fristlos gekündigt.

Volkan Aksu, dem das Türkischsprechen verboten wurde, freut sich über so viel Solidarität. Der 24-Jährige ist unter den Zuhörern im Gericht. „Es rührt mich, dass wir so viel Unterstützung bekommen“, sagt er und streift sich durch seine langen geflochtenen Haare. „Meistens sagen alle ‚blöd gelaufen‘, aber keiner ist bereit sich dafür einzusetzen.“ Auch andere, alternativ gekleidete Sympathisanten sind als Zuschauer gekommen.

Der Kläger, Jens Schulz, ließ sich von seinem Rechtsanwalt vertreten. Der verzieht das Gesicht, als er Nickels Argumente hört. Sein „persönlicher Leistungsanspruch“ sei durch den Vorfall in keinster Weise eingeschränkt worden, sagte er. Das könne er nicht beurteilen, erwidert Nickel. „Außerdem habe ich keine Lust von meinem Umfeld angesprochen zu werden, warum ich in einem rassistischen Studio trainiere.“

Auch Richterin Martina Januzi hat sich bereits sehr früh ein Urteil gebildet. Schon beim ersten Gerichtstermin legte sie Nickel eine Güteverhandlung ans Herz – der Kläger würde sich mit zwei Drittel der ausgebliebenen Monatsbeiträge begnügen. „Es ist an Ihnen zu beweisen, dass sie für eine außerordentliche Kündigung einen Grund hatten“, sagte sie zum Beklagten Nickel. „Sie tragen das größere Prozessrisiko“, kündigte sie ihm an.

Und nun ist das Urteil auch genauso gefällt worden: Von der Diskriminierung gegenüber anderen persönlich berührt zu sein, hat dem Gericht als Kündigungsgrund nicht gereicht. Von Diskriminierung sei er nicht persönlich, sondern nur mittelbar betroffen gewesen - und hätte trotz Deutschpflicht die Geräte benutzen können. „Rassismus ist eine Kategorie, mit der die Gerichte nicht umgehen und wollen“, sagt Nickel. Für seine Zivilcourage muss er die Prozesskosten tragen.

Dabei ist der Leiter des „aktuellen Fitnessstudio“ schon länger für sein diskriminierendes Verhalten bekannt. Eine ehemalige Mitarbeiterin von Jens Schulz schreibt in einem Brief an die taz: „Alle Mitarbeiter wurden angewiesen, Ausländern grundsätzlich nur Informationstermine zu vergeben, die in der nächsten Woche lagen.“ Zu diesen Gesprächen sei es nie gekommen, weil die Interessenten vom Leiter wegen angeblicher Doppelbelegung ausgeladen wurden. In kleinem Kreis soll Schulz gesagt haben: „Kanaken und Neger will ich nicht haben.“

NATALIE WIESMANN