„Eine knisternde Stimmung“

THEATER Das Stück „Çapulcu“ der Jungen Akteure hat Premiere. Es geht um die Revolten im Gezi-Park

■ 26, hat Schauspiel studiert und führt bei „Çapulcu“ Regie.

taz: Herr Jadallah, Sie führen Ihr Stück mit vier Schauspielern auf. Wie bringt man da die Atmosphäre von Massendemonstrationen rüber?

Numan Jadallah: Das war die erste Frage, die wir uns gestellt haben – eine Monsterfrage. Letztendlich haben wir gesagt: Wir schaffen es nicht, eine Masse darzustellen, aber wir können die Gefühle und den Schmerz einzelner Personen darstellen. Zum Beispiel einer Person, auf die zehn Polizisten einkloppen. Über Videoinstallationen stellen wir aber auch ein Bild einer Masse da.

Wie kann man sich das Leben in einer Stadt vorstellen, in der Unruhen im Gange sind?

Ich war Anfang des Jahres in Istanbul und habe versucht, genau das herauszufinden. In Istanbul ist ja kein kriegsähnlicher Zustand wie im Irak oder in Syrien. Es ist wechselhaft: Man trinkt mit Freunden einen Kaffee, aber alle sind am Posten und Teilen über Facebook, was in der Stadt passiert. Dann haben vielleicht gerade Leute um die Ecke beschlossen: „Wir machen jetzt eine Demo.“ Und auf einmal hörst du die ersten Parolen. Das ist eine knisternde Stimmung. Es muss nur etwas Kleines passieren und schon bringt es die Leute wieder hoch.

Wie geht es den Leuten, jetzt, wo Erdogan wiedergewählt wurde?

Die meisten wussten, dass es passieren wird, deshalb war der Schock nicht so groß. Trotzdem war bis zuletzt die Hoffnung da, das es nicht passiert. Ich glaube, bei vielen herrscht Angst. Es ist immer noch so, dass viele gefangen genommen werden und die Meinungsfreiheit ist immer noch sehr eingeschränkt. Die Türkei hat zurzeit mehr inhaftierte Journalisten als China. Ich kenne Leute, die nach Bremen gekommen sind und nicht zurück wollen, weil sie Angst haben, im Gefängnis zu landen.

Ihr Stück heißt „Çapulcu“. Das ist der Name, den Erdogan den Demonstranten im Gezi-Park gab und bedeutet „Plünderer“. Wertet diese Bezeichnung die Bewegung nicht ab?

Jein. Das Schöne ist: Die Demonstranten haben den Namen angenommen. Sie sagen: „Wir wollen unsere Freiheit zurückrauben.“ Das hat den Begriff in etwas Positives umgewandelt, in Energie. Jeder war Çapulcu.  

INTERVIEW: CATIANA KRAPP

19 Uhr, Brauhauskeller