Ritter von der eindrucksvollen Gestalt

THEATER Blaumeier spielt Don Quijote. Ein Stoff, der in seiner existentiellen Entrücktheit und komödiantischen Tiefe so gut zum Atelier passt, dass man ihn eigentlich hätte vermissen müssen

Ein derart dichtes kammertheatrales Spiel ist bei Blaumeier eine relativ junge Entwicklung

von Henning Bleyl

Die spanische Klassik erobert das Bremer Theaterleben: Der Goetheplatz hat für kommende Spielzeit einen lange nicht mehr da gewesenen Calderón angekündigt – und Blaumeier macht Cervantes. Mit Bernhard Bialucha hat das Atelier einen Spieler in seinen Reihen, der schlichtweg als Idealbesetzung für den Mann aus La Mancha gelten kann.

Bialucha verströmt eine ungeheuer noble Ausstrahlung. Wenn man den groß gewachsenen blinden Blaumeier-Akteur auf der Waller Bühne erlebt, mit eindrucksvoller Edelnase, entrückt-überlegenem Lächeln und einem Gesamtgestus zwischen Grandseigneur und ergrautem Charlie Chaplin – dann mag man kaum glauben, dass der Cervantes-Stoff erst nach langen Improvisationen zu Bialucha und seiner Spielpartnerin Viktoria Tesar gekommen ist.

Es war aber so: „Wir wussten lange nicht, in welche Richtung wir gehen würden“, sagt Regisseurin Barbara Weste über den Stückfindungs-Prozess.

Nun also nimmt Blaumeier Kurs auf die castillanische Hochebene. Deren Kargheit und Weite wird wunderbar durch Tesars zartherbe Zeichnungen eingefangen, die sich durch Monika Beyers Projektionstechnik in ein bewegtes Bühnenbild verwandeln. Zwar wartet man vergeblich auf wild rotierende Windmühlenflügel, die sich im Rahmen und mit den Möglichkeiten dieser Animationstechnik sicher auch gut gemacht hätten. Aber die Stechmücken-Attacke, die über Don Quijote und seinen Diener Sancho Pansa hereinbricht, entschädigt durch ihre filigrane Wucht.

Tesar hat ihre Objekte und Landschaften mit verbundenen Augen gezeichnet. „Ich wolle mir Bernhards Perspektive zu eigen machen“, sagt Tesar, die als bauernschlauer Knappe ihr komödiantisches Talent voll entfaltet. Sie bugsiert den der Wirklichkeit entrückten Ritter durch allerhand Fährnisse, spielt für ihn den Priester bei einer fingierten Schwertleite oder die angebetete Dulcinea – wobei sich ein analog-knallroter Wollzopf und Beyers Filmeinspielungen höchst stimmungsvoll ergänzen. David Jehn liefert live die jeweils passende Musik.

Allerdings: Das Stück ist zu kurz. Einmal eingeführt, hätte das Setting zwischen Sancho und Ritter in weiteren Abenteuern ausgereizt werden können. Und wäre nicht auch eine, wenigstens klitzekleine, Windmühle zu bekämpfen gewesen ...? Dass der so passend erscheinende Cervantes-Stoff mit all seinen anachronistischen Qualitäten so lange auf sich warten ließ, hat hingegen gut nachvollziehbare Gründe: Kammertheatrales Spiel ist bei Blaumeier eine relativ junge Entwicklung.

Samstag um 20 Uhr, Zusatzvorstellung: Sonntag um 18 Uhr im Theatersaal des Blaumeier-Ateliers in der Travemünderstraße/Walle. Vorverkauf: 0421/83 50 666