Kein Nahverkehr nach Helgoland

Beziehungsstress zwischen der Felseninsel und dem für sie zuständigen Kreis Pinneberg: Der Streit um Hafenkonzept und Schiffsverbindungen, eine neue Seebrücke und das traditionelle Übersetzen der Gäste mit Börtebooten eskaliert

Die Felseninsel Helgoland und der Kreis Pinneberg haben erheblichen Beziehungsstress. Landrat Wolfgang Grimme und Bürgermeister Frank Botter streiten sich um die Zukunft des Hafens und der Schiffsverbindungen. Für die Insel in der Deutschen Bucht mit ihren rund 1.600 Einwohnern, Geschäftsleuten und Hoteliers geht es um die wirtschaftliche Zukunft. Die Zahl der Besucher ist seit Anfang der 90er Jahre rückläufig, im vergangenen Jahr ist sie auf rund 420.000 gesunken.

Deutschlands einzige Hochseeinsel liegt knapp 70 Kilometer vom Festland entfernt in der Nordsee. Im Sommer legen täglich Seebäderschiffe und Katamarane aus Hamburg, Cuxhaven und Büsum an. Im Winter aber kommt nur – sofern das Wetter es zulässt – viermal pro Woche der alte Kapitän Cassen Eils mit seinem Schiff von Cuxhaven, um Gäste, Insulaner und Waren zu transportieren.

Die großen Hoteliers wünschen sich jedoch ganzjährig eine verlässliche tägliche Anbindung. Weil auch die Gemeinde Klarheit haben will, wer fährt, wenn Eils nicht mehr will oder kann, hat sie den zuständigen Kreis Pinneberg darauf verklagt, Helgoland in ein Nahverkehrskonzept einzubeziehen. „Das ist kein Nahverkehr, das ist Hochseeschifffahrt“, sagt Grimme. „Dafür sind wir nicht zuständig.“

Trotzdem will er sich kümmern und macht das mit einem Konzept, das gleichzeitig mit einigen Traditionen der Helgoländer aufräumen soll. Grimme möchte für rund 13 Millionen Euro eine Seebrücke bauen, an der bis zu sieben Schiffe anlegen können. Damit würde das Ausbooten entfallen – das Übersetzen der Gäste mit offenen Holzbooten, das etlichen Familien ein Zusatzeinkommen bringt. Ein Unternehmer soll die neue Hafenanlage bauen und betreiben, mit den Überschüssen aus dem florierenden Sommergeschäft soll eine bessere Verbindung im Winter finanziert werden.

Botter und die Gemeinde beharren darauf, die Touristen weiterhin mit den Börtebooten an Land zu bringen. Der Bürgermeister hält den Brückenplan für technisch schwierig und finanziell utopisch. Seiner Überzeugung nach geht es um 32 und nicht um 13 Millionen Euro Investitionen. Einigkeit besteht immerhin, die Katamarane künftig direkt an der Seebrücke aussteigen zu lassen und nicht mehr im abgelegenen Hafen.

Mit Freundlichkeiten sparen beide Parteien im Moment so wie mit dem gemeinsamen Gespräch über die unterschiedlichen Konzepte. Stattdessen unterrichten Grimme und Botter die Bewohner der Insel in getrennten Schreiben. Möglicherweise muss jetzt das Land helfen, beide Seiten wieder an einen Tisch zu bringen. Im vergangenen Jahr gab es in Kiel eine große Runde mit allen Beteiligten in Kiel, die Ausgangspunkt für ein neues Hafenkonzept war – und für den jetzt eskalierenden Streit. Sönke Möhl, dpa