die taz vor 19 jahren über den rücktritt von spö-chef sinowatz
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Der Vorsitzende der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ), Fred Sinowatz, ist zurückgetreten. Dafür gibt es einen berechtigten und einen unberechtigten Grund. Beide sind für den Zustand der SPÖ wie den Österreichs gleichsam symptomatisch.

Klar ist, daß Sinowatz wegen seiner Verwicklung in das Noricum-Waffengeschäft zurücktreten mußte. Unter seiner Verantwortung als Bundeskanzler wurden die illegalen Waffengeschäfte mit dem Iran abgewickelt. Es ist eines der Beispiele für die – legalen und illegalen – Verflechtungen der SPÖ-Spitze mit der Wirtschaft.

In der Massenpresse Österreichs wird jedoch ein anderer Rücktrittsgrund hervorgehoben. Sinowatz wird „vorgeworfen“, schon 1985 intern angekündigt zu haben, „man werde Österreich auf die braune Vergangenheit Waldheims aufmerksam machen“. Sinowatz fühlte sich durch diesen „Vorwurf“ übel nachgeredet und klagte gegen den verantwortlichen Journalisten. Er verlor den Prozeß, und es sieht so aus, daß er ihn auch in zweiter Instanz verlieren wird.

Daß Sinowatz und mit ihm die breite Öffentlichkeit die Behauptung, daß er die Bürger über die NS-Vergangenheit Waldheims habe aufklären wollen, als Vorwurf empfinden kann, macht deutlich: In Österreich ist es immer noch schlimmer, „in der Vergangenheit herumzuschnüffeln“, als für NS-Verbrechen mitverantwortlich zu sein. Leider ist der zweite Vorwurf gegen Sinowatz unberechtigt. Er hat sich nie gegen Waldheim wegen dessen NS-Vergangenheit gestellt. Als Machtpolitiker wußte er, daß ein antifaschistisches Engagement der SPÖ-Führung Waldheim noch mehr SPÖ-Wähler zugetrieben hätte. – Sinowatz geht. Das, wofür er ein Symbol war, bleibt: der SPÖ-Wirtschaftsfilz und die Unfähigkeit der Sozialistischen Partei, gegen die antidemokratische Tradition Österreichs Opposition zu machen.

Walter Oswalt, Redakteur derösterreichischen ZeitschriftFalter, taz vom 19. 3. 1988