„Die Hand ist ein eigenständiger Charakter“

HELDEN Im ersten Computerspiel gab es nur Striche und einen Punkt. Heute müssen selbst Außerirdische in den Spielewelten wie Menschen aussehen. Der Designer Magnus Larbrant erklärt, warum

INTERVIEW NINA ERNST

taz: Wie entsteht der Körper einer Figur für ein Videospiel?

Magnus Larbrant: Die Ideensammlung zum Figurendesign kommt erst, wenn die Rahmenhandlung steht. Wir lassen uns etwa von Filmen inspirieren. Der Hauptcharakter ist am wichtigsten. Er muss einzigartig sein.

Viele dieser Spielerkörper sind idealisiert – überbreite Schultern, übergroße Brüste –, andere vernarbt und verhärmt. Wo finden Designer die Vorbilder?

Bei den menschlichen Figuren in unserem neuen Spiel Crysis 2 haben wir uns an echten Kämpfern orientiert, an US-Marines, weil sie stark aussehen sollten. Es muss alles zusammenpassen. Wenn man eine Comicfigur in eine realistische Umgebung steckt, wirkt das seltsam. Das Figurendesign bestimmt, ob der Spieler mit der Welt eins werden kann.

Eins werden sollen Spieler und Spielfigur in Ego-Shootern. Dabei kann er den Körper allerdings gar nicht sehen.

Sicher sieht man die Figur selbst fast nur in der Werbung. Im Spiel sind es meist einzelne Körperteile, vor allem die Hand, die die Waffe hält. Sie ist ein eigenständiger Charakter. Man sieht auch die Beine, wenn man über den Boden schlittert. Diese Details müssen überzeugen, damit die Ich-Perspektive funktioniert.

Auch nichtmenschliche Gestalten in den Spielen haben oft menschliche Züge. Warum?

Das humanoide Grundgerüst soll dem Spieler sofort zeigen, was der Gegner macht. Sähen die Figuren zu fremdartig aus, würde niemand erkennen, ob sie einen ansehen, wegrennen oder schleichen. Außerirdische sollen zwei Beine und zwei Arme besitzen, aber trotzdem als Aliens erkennbar sein.

In einem Spiel ist alles möglich. Trotzdem stecken Sie Ihren Helden in einen Anzug mit Superkräften, statt ihm selbst übermenschliche Fähigkeiten zu geben. Ist die Fantasie von Spielemachern, was Körper angeht, doch begrenzt?

Wir machen Spiele, die realistisch aussehen. Würde man einen Superhelden in diese Welt werfen, wäre die Glaubwürdigkeit dahin. Wir wollten Dinge zeigen, die in der Zukunft möglich sein können. So ein Anzug ist glaubwürdiger als Menschen mit Superkräften.

Magnus Larbrant ist Art Director von Crytec, der einzigen deutschen Computerspielefirma, die auch international erfolgreich ist