Stimmrechte für Pfennigfuchser

Ausgaben über 20 Millionen Euro sollen künftig per Referendum gebilligt werden müssen, fordert „Mehr Demokratie e.V.“ Auch die Hürden für Volksbegehren und entscheide sollen sinken

VON ARMIN SIMON

Einen „Bürgeraufruf für Mehr Demokratie“ hat der Verein Mehr Demokratie e.V. gestartet. Ziel der Unterschriftensammlung ist, die Hürden für Volksbegehren und Volksentscheid zu senken und mehr Themen dafür zuzulassen. Vor staatlichen Ausgaben von über 20 Millionen Euro oder dem Verkauf von öffentlichem Eigentum im selben Wert soll nach dem Willen von Mehr Demokratie ein Referendum sogar Pflicht werden: Nur wenn die Mehrheit der Wahlberechtigten zustimme, dürfe die Investition getätigt werden. Bremen solle „als Vorreiterin in Sachen Demokratie seine Eigenständigkeit stärken“, forderte Hiltrud Lübben-Hollmann, Mitinitiatorin des Bürgeraufrufs.

Derzeit kann davon noch keine Rede sein: Beim bundesweiten Volksentscheid-Ranking von „Mehr Demokratie e.V.“ landete Bremen auf Platz 10 von 16, weit abgeschlagen hinter den beiden anderen Stadtstaaten. Berlin und Hamburg liegen auf Platz 1 und 3 – vor allem, weil sie auf Bezirksebene günstige Rahmenbedingungen für Bürgerentscheide geschaffen haben.

Etwa bei der Anzahl der nötigen Unterschriften, die eine Initiative sammeln muss, um überhaupt einen Volksentscheid zu erzwingen. 10 Prozent der Wahlberechtigten müssen dafür in Bremen unterschreiben – das sind 40.000 bis 50.000 Unterschriften. Berlin begnügt sich mit drei beziehungsweise sieben Prozent, Hamburg mit maximal fünf Prozent. Beim Referendum selbst warten in Bremen dann die nächsten Hindernisse. Nötig für den Erfolg ist nicht nur eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen – wie bei jeder anderen demokratischen Wahl –, sondern dazu noch ein Quorum: Mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten insgesamt muss mit Ja gestimmt haben. Wer sich nicht an der Abstimmung beteiligt, wird somit de facto als Nein-Stimme gezählt. Hamburg hat dieses Quorum auf Bezirksebene ganz abgeschafft, Berlin verlangt nur eine Mindest-Wahlbeteiligung von 15 Prozent.

Enge Grenzen setzt die Bremer Verfassung auch bei den möglichen Themen für Volksentscheide. Nicht nur die Haushaltsgesetzgebung selbst, sondern auch jegliche finanzwirksame Initiative sind nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs für Volksentscheide tabu. Daran scheiterte vor Jahren etwa ein Volksbegehren gegen den damals geplanten Verkauf der Gewoba: die erwarteten Privatisierungserlöse, so die Begründung damals, seien bereits in den Haushalt eingestellt.

Paul Tiefenbach von Mehr Demokratie e.V. hält jenes „Finanztabu“ schon prinzipiell für falsch. Die Erfahrung zeige vielmehr, dass die BürgerInnen selbst deutlich besser haushalten könnten als die von ihnen gewählten Abgeordneten. So habe das „obligatorische Ausgabenreferendum“ in Schweizer Kantonen zu einer „spürbar höheren Ausgabendisziplin“ geführt. Auch in Bremen, ist er überzeugt, würde eine derartige „Verschuldungsbremse“ wirken. Space Park, Krankenhaus-Neubauten und Stadtteil-Verschönerungsprogramme müssten dann nämlich öffentlich überzeugend begründet werden – und könnten nicht mehr in „Kungelrunden“ verabredet werden.

Die Unterschriften unter den Bürgeraufruf will „Mehr Demokratie“ nach der Wahl präsentieren – pünktlich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen. Die Hürden für die Volksgesetzgebung einfach per Volksentscheid zu senken, schließt Tiefenbach aus: Dafür seien sie zu hoch.