„Die Kinder stehen immer unter Druck“

Wenn Schulen Illegale melden müssen, nehmen sie keine mehr auf, so Flüchtlingshelferin Katrin Löffelhardt

KATRIN LÖFFELHARDT, 40, arbeitet beim Migrationsdienst der Diakonie Wuppertal. Sie betreut unbegleitete junge Flüchtlinge.

taz: Frau Löffelhardt, die Stadt Bonn weist Schulen und Kitas an, so genannte „Illegale“ zu melden. Ist das legal?

Katrin Löffelhardt: Das kann ich nicht beantworten. Aber ich weiß, dass es seit einiger Zeit in NRW einen Rechtstreit darüber gibt, ob Schulen automatisch Illegale melden müssen oder ob es reicht, wenn sie nach einer Anfrage der Stadt erst ihrer Berichtspflicht nachgehen.

Wenn sich die Bonner Praxis durchsetzen sollte, was hätte das für Konsequenzen?

Das hätte die Konsequenz, dass der Staat die Daten der Menschen ohne Papiere erfasst und an die Ausländerbehörden weitergibt. Die können dann die Familien abschieben.

Und was ist mit den Schulen, die Illegale bisher aufgenommen haben?

Ich kann mir vorstellen, dass einige Schulleiter so couragiert bleiben und sich der Meldepflicht widersetzen. Ich glaube aber, dass die meisten sich nicht mehr trauen, Kinder ohne Papiere aufzunehmen.

Was macht es mit den Kindern, wenn sie nicht zur Schule gehen können?

Die Kinder stehen so oder so unter Druck, ob sie in die Schule gehen oder versteckt leben. Wenn sie hingehen dürfen, müssen sie auf dem Weg dorthin aufpassen, dass sie nicht in eine Kontrolle geraten. In der Schule sind sie von Ausflügen oder Freizeiten ausgeschlossen, weil sie sich das nicht leisten können oder sich verletzen könnten. Denn sie einfach so zum Arzt bringen, geht ja auch nicht. Sie haben keinen Zugang zum Gesundheitssystem.

Und wie ergeht es denjenigen, die zu Hause bleiben?

Die sind natürlich völlig isoliert und werden von Bildung ausgeschlossen. Das nimmt ihnen das letzte Stück Normalität in ihrem Leben. Außerdem sind sie zu Hause auch nicht sicher. Auch dort leben sie mit der Angst, dass sie von Nachbarn denunziert werden. Viele Kinder werden von dem ständigen Druck depressiv.

Wird es nach dem Bleiberechtsbeschluss für Illegale noch schwieriger – nach dem Motto: Wenn wir bei den einen kulant sind, müssen wir die anderen stärker ausgrenzen?

Die Menschen ohne Aufenthaltspapiere sind aus der Sicht der Politik gar nicht da, in der ganzen Debatte um das Bleiberecht wurden sie nicht einmal erwähnt – obwohl bekannt ist, dass in Deutschland zwischen 500.000 und einer Million „Sans Papiers“ leben. Dass es wie in anderen EU-Ländern für sie einmal eine Legalisierungskampagne geben wird, kann ich mir nicht vorstellen.

INTERVIEW: NATALIE WIESMANN