schurians runde welten
: Grönemeyer glotzt mich an

CHRISTOPH SCHURIAN (40) ist Redaktionsleiter der taz nrw. Grönemeyers Bochum hat seine Stimmbänder ruiniert.

„Wir schauen jetzt von Spiel zu Spiel.“ (Uli Hoeneß)

Wenn ich Menschen begegne, die ich aus Film, Funk oder Fernsehen kenne, fühle ich mich beobachtet, dabei müsste es eigentlich umgekehrt sein. Ob es nun Empathie ist, Selbstüberschätzung, ein Sender-Empfänger-Missverständnis oder die Hirnbegabung des sozialen Autisten – ich weiß sehr gut, wie es ist, von Talkshowgesichtern, Fußballmanagern oder anderen Popstars angestarrt zu werden. In diesen Tagen können Sie das leicht nachempfinden: Werden Sie nicht auch von Herbert Grönemeyer verfolgt, seinem Bochumer Baggerblick, der in allen Schaukästen hängt, dazu berührt der Musiker mit den Lippen seine Hand, will das jemand sehen?!

Auch Grönemeyer hat mich schon einmal richtig angegafft: Auf einem Bahnsteig in Bochum, er trug Mantel, unförmiger, größer als sonst und unsicherer. Trotzdem konnte er es nicht sein lassen, zu mir zu schauen – ich habe es genau gesehen. Zum Glück stieg Grönemeyer nicht in meinen Waggon, denn der Herz-Bochumer ist nicht nur ein Hingucker, auch ein Pechvogel: Als er vor Monaten seinem Lieblingsclub beitrat und ausnahmsweise das Stadion besuchte, setzte es die schlimmste Heimniederlage aller Zeiten. Was glotzt der auch immer so.

Ich zeige mich bei all diesen berühmten Beobachtern natürlich nur ungern der Öffentlichkeit. Ich gucke lieber Fernsehen, das schaut nicht zurück. Und deshalb mag ich auch Fernseh-Fußballtrainer lieber als wirkliche, komme aber immer mehr durcheinander: Ist Felix Magath jetzt ganz ins Fernsehen abgewandert, dass er mich nicht mehr misstrauisch beäugt, wenn ich meiner Arbeit nachgehe und am Tisch sitze und Notizen mache? Ist Ottmar Hitzfeld real oder immer noch Ergebnis eines technischen Vorgangs von Premiere, unentwegt kaubeißend, wangenansaugend, ausmergelnd, aber mich nicht hohl anstarrend?

Eine Sportart, von der ich nichts verstehe, ist die Formel Eins. Offenbar spielt darin ein gewisser Bernie Ecclestone eine Rolle, der gegenüber der Bild-Zeitung gerade behauptet hat, er hätte beinahe Chelsea London gekauft (so so) und wir Deutschen müssten jetzt gefälligst schnell einen „neuen Schumi produzieren“. Was mir die Augen geöffnet hat über all die gaffenden Stars und Sternchen. Sie sind alle nur unsere Produkte – ich wusste es. Ihre Blicke haben sie verraten.

10.3. Bochum – Dortmund

Dortmunds Christoph Metzelder plant nun in die Obergafferklasse aufzusteigen, er will zu Real Madrid. Marcel Koller, VfL-Echtzeittrainer, und die meisten seiner Spieler vermeiden es hingegen lieber, einem direkt in die Augen zu sehen. Ich mag das, auch wenn es die Bochumer sportlich nicht besonders weiter bringt. CHRISTOPH SCHURIAN