Afrikas Leitfigur der Aufklärung

Joseph Ki-Zerbo, Afrikas berühmtester Historiker und Lehrer des freien Denkens, ist 84-jährig in seiner Heimat Burkina Faso gestorben. Gestern wurde er beigesetzt

BERLIN taz ■ Generationen von Afrikanisten weltweit kennen Joseph Ki-Zerbo als Autor von Standardwerken, von „Die Geschichte Schwarzafrikas“ bis zur voluminösen Unesco-Geschichte des Kontinents, an deren Gestaltung er mitwirkte. Ki-Zerbo war einer der berühmtesten afrikanischen Historiker und widersetzte sich der Monopolisierung afrikanischer Geschichtsschreibung durch Nichtafrikaner. Am Montag ist er mit 84 Jahren in seinem Heimatland Burkina Faso gestorben; gestern wurde er im engsten Familienkreis in seinem Heimatdorf Toma beigesetzt.

„Weckt ihn auf, er muss mir doch vorher noch Bescheid sagen, dass er geht“, bat einer von Ki-Zerbos wenigen überlebenden Altersgenossen die Familie in seinem Haus in der Hauptstadt Ouagadougou, wie die Zeitung L’Observateur-Paalga berichtet. „Es ist ein Verlust für Afrika und die ganze Welt“, meinte sein alter Freund Joseph Sandwidi Yamba: „Er ist für seine Zeit zu früh auf die Welt gekommen.“

Schon vor der Unabhängigkeit war Ki-Zerbo ein Vorkämpfer eines geeinten, freien Afrika. Die kolonialen Grenzen waren für ihn der Horror, Machtverhältnisse immer vergänglich – er lernte die Kolonialmacht Frankreich als Opfer deutscher Besatzung kennen und war 1950 dort Mitgründer der afrikanischen Studentengemeinschaft FEANF, Kern der späteren Unabhängigkeitsbewegungen. Die Rückkehr zu einer nostalgisch verklärten afrikanischen Tradition lehnte er ebenso ab wie den Glauben an technokratische Entwicklungsmodelle, die von außen kommen wie „Prothesen, die uns das Laufen abnehmen“.

Man muss in der Situation, in der man sich befindet, sich selbst erkennen und für sich selbst zu denken lernen – auf diese Grundeinsicht der Aufklärung setzte Ki-Zerbo in der Tradition seines senegalesischen Lehrers Cheikh Anta Diop. Am liebsten arbeitete er selbst als Lehrer, um dies weiterzutragen, und mit Afrikas Diktatoren überwarf er sich immer wieder, vor allem denen des eigenen Landes. Als Sohn des ersten getauften Katholiken im muslimischen Burkina Faso war Ki-Zerbo sowieso in der Heimat ein Fremder. Als sozialistischer Parteigründer 1991 nach der politischen Liberalisierung war er wenig erfolgreich. Seine PDP/PS wurde 1997 Burkina Fasos stärkste parlamentarische Oppositionskraft, ist es aber heute nicht mehr.

82-jährig noch hielt Ki-Zerbo in Genf einen kontroversen Vortrag. „Die Frage ist: Wer sind wir? Man kann Afrika mit Milliarden überschütten, es wird nirgends hingehen, wenn es sich nicht selbst schmiedet, selbst konstituiert. Wir müssen unser eigenes Zentrum sein, nicht die Peripherie anderer. Heute tauschen wir Baumwolle gegen Computer, aber damit bereichern wir nicht die Weltkultur, sondern konsumieren die Kultur der anderen. Wir sind Ersatzteile geworden, die dank der Suppenküche der Welt überleben.“

Solche harten Worte wird man in Afrika vermissen. Ali Lankoandé, Ki-Zerbos Nachfolger an der Spitze seiner Partei, sagte: „Wir müssen auf ihn stolz sein. Hoffen wir, dass seine Saat schöne Bäume hervorbringt.“

DOMINIC JOHNSON