Das Ding, das kommt
: Gute Chancen für die Zukunft

Die SPRÜHDOSE und die mit ihr legal angefertigten Kunstwerke werden am heutigen Samstag von der HipHop-Szene in Braunschweig mit einer großen „Jam unter der Brücke“ gefeiert

Mit markigen Worten warnt der „Verein gegen Graffiti-Schäden Braunschweig“ auf seiner Internetseite junge „Schmierer und Sprayer“ davor, an fremden Häusern oder Bahnwaggons zur Dose zu greifen: „Du kriegst eine Strafe. Bei Wiederholung – Knast. Weg von Freundin, weg von Freunden! Du bist vorbestraft. Miese Chancen für die Zukunft, kein Kredit, keine Wohnung. Leben von Stütze. Bis an’s Ende?“ Und fordert: „Zeig’ mal Verstand!“ Malen also nur noch an legalen Flächen: „In der alten Markthalle“.

So ganz up to date ist der Anti-Graffiti-Verein aber offenbar nicht: Die legale Graffitifläche in der alten Markthalle gibt es seit ein paar Jahren nicht mehr. Wer in Braunschweig sprühen und dennoch gute Zukunftschancen haben möchte, geht seit knapp zwei Jahren unter die Brücke in der Broitzemer Straße. Rund 400 Quadratmeter ungenutzte Betonfläche dienen hier als „Träger jugendkulturellen Ausdrucks“ – eine der größten legalen Flächen des Landes. Malen darf dort jeder, der sich an ein paar Regeln hält: Nicht stören, den Bildrahmen nicht verlassen, ordentlich aufräumen.

Initiiert haben die Braunschweiger „Hall of Fame“ fünf szeneaffine Studierende der Fakultät Soziale Arbeit an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften. Ein Jahr hat die Planungs- und Konzeptionsphase gedauert, stets konstruktiv und auf Augenhöhe sei die Zusammenarbeit mit den Vertretern der Stadt nach anfänglicher Skepsis gewesen, erklärt der Verein „The Bridge“.

Wie groß das Interesse der Szene ist, hat die „Jam unter der Brücke“ zur Einweihung deutlich gemacht: 65 geladene Künstlerinnen und Künstler und rund 500 Besucherinnen und Besucher haben im September 2012 gemeinsam gefeiert, HipHop-Acts zugehört und um die Wette gesprüht.

Am heutigen Samstag wird wieder gemalt, getanzt, gerappt, gespielt und ausprobiert. Eingeladen sind lokale Szenegrößen wie die Crews MCR, UPC und SMR, Rapper laden zur Open-Mic-Session, Stände informieren über kulturelle und soziale Angebote im Stadtteil. Und wer noch ein wenig unsicher mit den eigenen Skills ist und Befürchtungen hegt, als „Toy“, also schlechter und unerfahrener „Writer“, gebrandmarkt zu werden, lernt das Malen mit der Dose in Workshops.

Mit ein bisschen Erfahrung und Geschäftstüchtigkeit kann man sich damit übrigens längst auch eine bürgerliche Existenz aufbauen: Wer seine Graffiti geschickt an zahlungskräftige Kunden verkauft, verdient heute locker viermal so viel pro Quadratmeter wie diejenigen, die illegal angebrachte Sprühwerke entfernen. Und hat ziemlich gute Chancen für die Zukunft.  MATT

■ Sa, 16. 8., ab 11 Uhr, Brückenunterführung Münchenstraße, Braunschweig