Der Wahnsinn kommt

Breite Straßen, günstige Betten: Die Berliner Love-Parade sucht eine neue Bühne und findet das Ruhrgebiet. Auch Köln gefällt dem Veranstalter – aber der Domstadt reicht der Karnevalsumzug

VON NATALIE WIESMANN

Die Loveparade könnte nach dem Willen des Veranstalters in diesem Sommer durchs Ruhrgebiet ziehen. „Das Ruhrgebiet hat einen riesigen Einzugsbereich, viel größer als der Berlins“, sagt Rainer Schaller mit Begeisterung in der Stimme zur taz. Der alleiniger Gesellschafter des größten deutschen Techno-Umzugs und Besitzer der Billig-Fitnessstudio-Kette „Mc-Fit“ kennt das Ruhrgebiet gut. Ideal für die Parade seien die alten Industrieanlagen und vor allem die Nähe zu den Niederlanden: „Die Holländer sind ja auch so technoverrückt.“

In guten Zeiten hat der Techno-Umzug bis zu anderthalb Millionen Fans nach Berlin gezogen. Schaller will mit seiner Liebesparade in Zukunft durch eine Stadt ziehen, „die zu uns steht.“ Berlin tue das nicht. Denn die Hauptstadt hat ihm bis heute keine Genehmigung erteilt. Außerdem hätte in diesem Jahr der Rahmenvertrag, den Berlin mit Schallers Vorgänger DJ „Dr. Motte“ abgeschlossen hatte, erneuert werden müssen – auch das ist bisher nicht geschehen: „So können wir nicht planen“, sagt Schaller.

60 Städte in Deutschland und Europa habe er angeschrieben, in NRW sind das alle über 500.000 Einwohner: Die Revierstädte Duisburg, Essen und Dortmund sowie Düsseldorf und Köln. „Vorteilhaft für uns ist eine gut funktionierende Clubszene, noch wichtiger aber sind günstige Betten und breite Straßen.“

Letzteres spräche fürs Ruhrgebiet. Vor drei Jahren hatten Kulturvertreter schon einmal versucht, die Loveparade ins Revier zu holen – doch dann fand diese am Ende doch in Berlin statt. Das erklärt vielleicht, warum die Städte in NRW zurückhaltend auf die Offerte von Schaller reagieren: „Die baggern ja jetzt überall“, sagt Frank Kopatschek, Sprecher der Stadt Duisburg. Näheres könne er noch nicht sagen: „Ich halte gerade erst das Päckchen der Veranstalter in der Hand.“

Dortmunds Kulturdezernent Jörg Stüdemann ist von der Idee einer Loveparade im Ruhrgebiet „angenehm berührt“. Doch er will sich nicht so schnell vor den Karren spannen lassen: „Mir liegt noch keine Anfrage vor“, sagt er. Außerdem habe Dortmund mit der Techno-Party „Mayday“ und dem „Juicy-Beats“-Festival bereits zwei wichtige Veranstaltungen im Bereich der elektronischen Musik. „Wir sind da schon sehr gut aufgestellt.“

Kölns Sprecherin Inge Schürmann animiert die Nachricht, „alle Jahre wieder“ zu singen: „Das ist immer das gleiche Spielchen“, sagt sie. Der Veranstalter drohe Berlin mit dem Weggang und „wie durch ein Wunder findet die Loveparade dann doch in Berlin statt.“ Aus Sicht der Stadt gebe es deshalb „keine Veranlassung“, sich ernsthaft mit der Idee zu beschäftigen, die Parade nach Köln zu holen.

Das findet Veranstalter Schaller schade: „Die Absage an Berlin ist wirklich ernst“, sagt er. Der Genehmigungsantrag sei von seinen Anwälten offiziell zurückgezogen worden, es gebe keinen Weg zurück. Er könne sich Köln durchaus als Paraden-Ort vorstellen: „Die Kölner zeigen beim Karneval und dem Christopher Street Day, dass sie feiern können“, sagt er. Das international führende Kölner Techno-Label Kompakt findet das ausreichend: „Wir haben schon den Karneval, wir brauchen keine Loveparade“.