Auf den Spuren afrikanischer Despoten

Parallel zum französisch-afrikanischen Gipfel in Cannes organisieren junge Aktivisten in der französischen Hauptstadt eine Bustour zu den Residenzen afrikanischer Staatschefs. Sie fordern gleichberechtigte Beziehungen zwischen Paris und Afrika

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

„Avenue des dictateurs“ steht auf dem Schild. In weißer Schrift auf blauem Untergrund. Weiß eingerahmt. So ist es üblich bei Straßenschildern in Paris. Junge Männer und Frauen in schwarzen Anzügen mit dunklen Bril- len tragen das neue Schild an eine Kreuzung. Eine Umbenennung im vornehmen 16. Arrondissement. Ein junger Mann, der die Tricolore-Schärpe der gewählten französischen WürdenträgerInnen trägt, spricht ein paar Worte.

Die anderen halten Fotos hoch. Darauf sind die Gesichter afrikanischer Despoten zu sehen: Bongo, Sassou Nguesso, Obiang und der verstorbene Mobutu. Alle besitzen große Luxuswohnungen an der breiten Avenue Foch. Wenige Schritte vom Arc de Triomphe entfernt.

Wenn Omar Bongo aus Gabun in seiner Pariser Residenz – an der rue L. Pichat, gleich an der Ecke zur Avenue Foch – zu Besuch ist, gehen bei ihm französische Spitzenpolitiker ein und aus. Im letzten Jahr sollen auch der gegenwärtige Pariser Premierminister sowie sein Innenminister bei ihm gewesen sein. Genau so war es früher bei dem zairischen Diktator Mobutu in dem eleganten Gebäude an der Nummer 20 Avenue Foch.

„Was bei solchen Treffen geschieht, erfährt kein Parlamentarier und kein Journalist“, sagt ein junger Mann. Er trägt einen Koffer, aus dem Geldscheine auf das Trottoir fallen. Darauf stehen Zahlen wie „500 Franc-CFA“. Die Währung in den Ländern der ehemaligen französischen Kolonien orientiert sich am Euro und wird in Europa gemanagt.

„Françcafrique“ heißt die Gemengelage zwischen den Mächtigen in Paris und ihren Freunden in den afrikanischen Ländern, die bis vor vier Jahrzehnten französische Kolonien waren. Frankreich unterhält privilegierte Beziehungen zu den Staatschefs. Mit bilateralen Abkommen, deren Inhalt nie von ParlamentarierInnen geprüft wird. Und zu denen auch die militärische Beistandspflicht gehört. 11.000 französische Soldaten sind ständig in Afrika stationiert. Ab und zu verteidigen sie die Regime mit der Waffe in der Hand.

Alle zwei Jahre treffen sich die Staatschefs von Frankreich und Afrika zu einem Gipfel. Bis in die 90er-Jahre waren es Familientreffen. Heute nehmen auch englisch- und portugiesischsprachige PolitikerInnen teil. Transparenter ist die franko-afrikanische Kooperation nicht geworden.

Die jungen Leute kehren zu dem roten Doppeldeckerbus zurück, der an der „Avenue des dictateurs“ auf sie wartet. „Sightseeing“ steht auf dem Bus. Er fährt an diesem Tag zu den Stätten der „Françcafrique“ in Paris. Nach den Diktatorenresidenzen fährt er an der rue de l’Elysée vorbei. Dort sitzt die „Cellule africaine“, in der MitarbeiterInnen der französischen Präsidenten die Afrika-Politik machen. Am Mikrofon des Busses erklärt ein junger Mann, dass ein früherer Mitarbeiter der „Zelle“, der vor dem Völkermord an den Tutsi für die militärische Zusammenarbeit mit dem ruandischen Militär zuständig war, heute die private Söldnergesellschaft „Barril-Securité-Gruppe“ leitet.

Die Busroute führt zur Place de la Concorde. Im Fünf-Sterne-Hotel „Crillon“ steigen afrikanische Diplomaten ab, die keine Residenzen in Paris haben. „Selbst die Weltbank wundert sich, dass Chefs von bitterarmen Staaten binnen weniger Tage zigtausende Euros in Hotels verpulvern“, sagt der Mann am Mikro.

Die Bustour findet gleichzeitig mit dem Beginn des Gipfels in Cannes statt. Die OrganisatorInnen sind junge FranzösInnen und AfrikanerInnen, die sich bei den Sozialforen der letzten Jahre kennengelernt haben. Sie nennen ihre Organisation „Cellule Françcafrique“, wie die Arbeitsgruppe des französischen Präsidenten. Sie wollen, dass zwischen Frankreich und Afrika „alles“ anders wird, erklärt Válérie Merhino, die der Gruppe angehört. „Gleichberechtigt“ und „ohne Rassismus“.

Der Bus überquert die Seine. Vor der École Militaire im 7. Arrondissement spricht ein Mann ins Mikro, der sich für diesen Tag nach dem Franzosen benennt, der Togos Staatschef in Rechtsfragen berät: Debbasch. Er erzählt von der von de Gaulle gegründeten „Ecole de Guerre“, durch die viele afrikanische Putschisten gegangen sind. Heute heißt die Einrichtung „Collège interarmées de Défense“ (CID).

Der togolesische Journalist Dimas Dzikodo übernimmt das Mikrofon. Er erzählt von dem Chef der Männer, die ihn 2003 in Lomé gefoltert haben. Zurzeit lernt jener Oberstleutnant Néyo Takougnadi an dem Pariser „CID“. Die Bustour endet vor dem Parlament. Ein junger Mann in Schwarz: „Hier gehört die französische Afrika-Politik hin.“