Beamte bald in Brandenburg AG

Das Land will seine Bediensteten an Steuereinnahmen beteiligen – ganz nach Vorbild der Privatwirtschaft. Das gilt als Trost für das gestrichene Weihnachtsgeld

BERLIN taz ■ Unter Manfred Stolpe war Brandenburg die „kleine DDR“, in der es so sozialistisch und gemütlich zuging wie sonst nirgendwo in der Bundesrepublik. Jetzt wird aus der Mark ein Wirtschaftsunternehmen.

Die Beamten des Landes sollen künftig eine Art „Gewinnbeteiligung“ erhalten. Das heißt, sie bekommen mehr Geld, wenn Brandenburg mehr Steuern einnimmt als am Jahresanfang eingeplant. So sieht es ein vom Potsdamer Finanzministerium erarbeitetes Modell vor, über das die Gewerkschaften nun beraten. „Ja, es gibt diese Gespräche und diesen Vorstoß des Ministeriums“, sagt ein Vertreter des Deutschen Beamtenbunds, der in die Verhandlungen involviert ist. Ver.di-Sprecher Andreas Splanemann bestätigte, „dass wir diesen Vorschlag intern prüfen“. Das Ministerium hingegen schweigt: „Kein Kommentar.“ Die Gewerkschaften verhandeln mit dem Finanzministerium, weil dieses den Beamten das Weihnachtsgeld komplett streicht. Als Ausgleich soll es nun die „Gewinnbeteiligung“ geben. 500 Euro würden die Staatsdiener am Jahresende als feste Zahlung erhalten. Bis zu 540 Euro können hinzukommen, wenn das Land so richtig Kasse macht.

Das Modell hat allerdings zwei Haken: Was hat die Leistung der Beamten mit den Steuermehreinnahmen zu tun? Und wieso profitieren nur die Beamten direkt von einer guten Konjunktur? „Ich habe Bauchschmerzen mit diesem Kompromiss“, sagt der Dresdener Finanzwissenschaftler Helmut Seitz. Schließlich seien Steuern keine Unternehmensgewinne. „Außerdem sind Steuergelder für öffentliche Aufgaben zu verwenden und nicht für öffentliche Bedienstete“, sagt Seitz. Für ihn sieht die Potsdamer Lösung wie ein kurioser Kuhhandel aus.

Dass Brandenburg sparen muss, ist nämlich unbestritten. Die Schulden des Landes belaufen sich auf mehr als 18 Milliarden Euro. Doch als Finanzminister Rainer Speer (SPD) bei den Beamten kürzte, gab es massive Proteste der Gewerkschaften (die taz berichtete). In der SPD von Ministerpräsident Matthias Platzeck kriselte es zum ersten Mal seit Jahren heftig. Die Partei war sich unsicher, wie sie mit den Gewerkschaften umgehen sollte. Der Koalitionspartner CDU lästerte schadenfroh. Letztendlich machten die Sozialdemokraten den Gewerkschaften ein Kompromissangebot: Die Gewinnbeteiligung. Die Funktionärslobby hat der Regierung weitreichende Zugeständnisse auf Kosten der Bevölkerung abgepresst, so sehen es einige SPD-Politiker. Laut sagen würden sie das allerdings nicht. Eine Parteikrise reicht erst einmal, sagen sie.

Und selbst die sozialistische Opposition findet die Brandenburg AG ein tolles Geschäftsmodell. „Beamte werden doch ohnehin aus Steuern bezahlt, deshalb ist das ein gangbarer Weg“, sagt Andreas Bernig, der Gewerkschaftsexperte der Linksfraktion im Potsdamer Landtag. Außerdem hätten die Beamten zuvor empfindliche Kürzungen hinnehmen müssen. „Auch mit der neuen Regelung stehen sie schlechter da als vor dem Wegfall des Weihnachtsgeldes“, glaubt Bernig. Die Gewerkschaften argumentieren ähnlich. Dass die Beamten nur einen geringen Einfluss darauf haben, was das Land einnimmt, sieht aber auch Bernig ein. „Es ist eben eine pragmatische Lösung“, sagt der Linkspartei-Politiker, „so wird den Beamten nicht ganz so übel mitgespielt.“ DANIEL SCHULZ,
JAN GEORG PLAVEC