Alles kann man nicht im Griff haben“

■  Die Schatzmeisterin der SPD, Inge Wettig-Danielmeier, über die Finanzaffäre der CDU und die Spendenpraxis bei den Sozialdemokraten: Gerhard Schröder hat, im Gegensatz zu Helmut Kohl, kein persöhnliches Verfügungskonto

taz: Wie sehen Sie die Rolle von Altbundeskanzler Helmut Kohl in der Parteispenden-Affäre der CDU?

Inge Wettig-Danielmeier: Jahrzehntelang hat er offenbar das Parteiengesetz und das Grundgesetz verletzt. Dies trägt dazu bei, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik endgültig verlieren. Er hat als Schattengeneralsekretär fungiert und Anweisungen an den Schattenschatzmeister Weyrauch (den Steuerberater der CDU, die Red.) gegeben. Das widerspricht den Prinzipien der innerparteilichen Demokratie, die im Grundgesetz festgelegt sind. Er wusste, was er tat, denn er kannte die Probleme der Parteienfinanzierung sehr gut. Seit Mitte der 60er-Jahre hat es unendliche Debatten gegeben, weil das Bundesverfassungsgericht ein Parteiengesetz einforderte. Diese Debatten sind bis 1994 immer wieder geführt worden.

Was bedeutete das damals beschlossene Parteiengesetz für die SPD?

Auch die SPD musste ihre Satzung ändern, denn sie hatte die Tradition, sich vor Verfolgung zu schützen, indem sie ihre Strukturen nicht offenlegte. Alle Funktionsträger wurden nach der Verabschiedung des Parteiengesetzes so geschult, dass sie dann wussten, wie man mit dem neuen Gesetz umgeht. Auf der Ebene, wo nur Ehrenamtliche tätig sind, können schon mal Fehler passieren. Alles kann man nicht im Griff haben.

Gibt es, wie bei den Christdemokraten, auch bei der SPD so genannte Treuhand-Anderkonten?

Wir haben auch Treuhänder für unsere Immobilien. Diese Konten gehen aber in die Vermögensrechnung des Parteivorstandes ein und werden in den Rechenschaftsberichten immer ausgewiesen.

Sind Sie sicher, dass bei der SPD alle Spenden korrekt deklariert werden?

Wir kontrollieren die Finanzen des Parteivorstandes und der Bezirke ständig. Bei den Unterbezirken machen wir Stichproben. Es ist schon vorgekommen, dass es auf der unteren Ebene Ideen gab, die nicht mit dem Parteienfinanzierungsgesetz zu vereinbaren waren.

Welche zum Beispiel?

Da hatten mal einige ein Fund-Raising-Diner organisiert. Jeder Geladene sollte 100 Mark bezahlen und dafür eine Spendenquittung bekommen. Das geht natürlich nicht. Er darf für das Essen, das er konsumiert hat, keine Spendenquittung bekommen. So etwas kommt aber heute nicht mehr vor. Es wurde auch von uns gestoppt.

In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass Großspenden an die CDU gestückelt wurden, damit sie im Rechenschaftsbericht nicht auftauchen müssen. Gibt es das bei der SPD auch?

Nein. Es kommt vor, dass Firmen nicht als Spender genannt werden wollen und deshalb verschiedenen Bezirksverbänden Beträge unter 20.000 Mark spenden. Das führen wir aber zusammen. Wenn der Betrag dann über 20.000 Mark liegt, wird es veröffentlicht. Wenn der Spender damit nicht einverstanden ist, zahlen wir die Spende zurück.

Ist es schon vorgekommen, dass verschiedene Tochterfirmen einer Firma der SPD Geld gespendet haben und sich die Beträge über 20.000 Mark summierten?

Das hat es auch bei uns schon gegeben. Das ist erlaubt.

Aber es ist nicht im Sinne des Parteiengesetzes.

Ja, sicher, denn das Gesetz will sicherstellen, dass der Einfluss der Firmen offengelegt wird. An dieser Stelle müsste man das Gesetz möglicherweise ändern. Man könnte den Parteien auferlegen, wenn die Spenden erkennbar aus einem Hause kommen und insgesamt über 20.000 Mark liegen, dann müssen sie das deklarieren.

Helmut Schmidt hat vorgeschlagen, das Gesetz solle so verändert werden, dass nur noch natürliche Personen, aber keine Firmen mehr an Parteien spenden dürfen. Was halten Sie davon?

Das brächte nichts, denn dann würden die Firmeninhaber spenden und sich das von den Firmen wiederholen.

Was muss Ihrer Meinung nach am Parteiengesetz geändert werden?

Bislang dürfen auch Abgeordnete Spenden annehmen, und sie müssen sie nicht unbedingt an die Partei weitergeben. Das sollte man ändern. Bei der SPD müssen Abgeordnete jedoch immer Spenden an die Partei abführen.

Hat Renate Schmidt ihre 5.000 Mark, die sie vom Waffenhändler Schreiber bekam, weitergeleitet?

Ja, das hat sie. 4.000 an den Landesverband und 1.000 an den Unterbezirk.

Kennen Sie Herrn Schreiber auch persönlich?

Nein, ich kenne diesen Menschen nicht persönlich.

Hat Gerhard Schröder auch ein persönliches Verfügungskonto, wie es Helmut Kohl wohl hatte?

Nein, Gerhard Schröder gibt nichts aus, was nicht abgezeichnet wäre. Bei uns muss immer das Vier-Augen-Prinzip gelten. Es wird nichts überwiesen, was nicht von zwei Leuten abgezeichnet ist. Normalerweise, bei grossen Summen, immer vom Geschäftsführer und der Schatzmeisterin. Nur Bagatellen unter 3.000 Mark können von Referenten und Referentinnen abgezeichnet werden.

In Zusammenhang mit der Parteispendenaffäre sind Vorwürfe gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten Helmut Wieczorek aufgetaucht. Er soll als Geschäftsführer der Thyssen AG den umstrittenen Panzerverkauf an Saudi-Arabien mit abgewickelt haben.

Er sagt, er habe bei den einschlägigen Abstimmungen im Bundestag nicht mitgemacht.

Die FDP verlangt, der Untersuchungsausschuss solle prüfen, welche SPD-Abgeordneten in diesem Zusammenhang Spenden angenommen haben.

Die SPD-Abgeordneten müssen Spenden offenlegen und das Geld an die Partei weiterleiten. Meines Wissens gibt es in diesem Zusammenhang keine Spenden. Die FDP will offenbar verhindern, dass der Untersuchungsausschuss noch in dieser Legislaturperiode zu einem Ergebnis kommt.

Interview: Tina Stadlmayer