Realos greifen grünes Dogma an

■ Antrag zur Aufhebung des Prinzips der Trennung von Amt und Mandat gefährdet angestrebte Strukturreform

Berlin (taz) – Nach den Erfahrungen im Wahlkampf war den allermeisten Grünen klar, daß die Parteistruktur reformiert werden muß. Doch mittlerweile ist zweifelhaft, ob auf dem heute beginnenden Parteitag die erforderliche Zweidrittelmehrheit dafür zustande kommt. Bundesgeschäftsführerin Heide Rühle nannte gegenüber der taz die Situation kritisch. Realpolitiker der Partei haben einen Antrag eingereicht, in dem sie fordern, das Prinzip der Trennung von Parteiamt und Parlamentsmandat ohne Einschränkung aufzuheben. Der Antrag geht weit über die Vorstellungen des Bundesvorstandes hinaus, der eine vorsichtige Lockerung dieses Grundsatzes bei dem neu zu schaffenden Parteirat vorgeschlagen hat. Dieses Gremium soll eine stärkere Verbindung zwischen Bundesvorstand und Landesverbänden gewährleisten. Der Vorstandsantrag sieht vor, daß für neun der sechzehn Mitglieder des Parteirates die Trennung von Amt und Mandat aufgehoben wird. Dagegen hatten schon Parteilinke Einwände erhoben.

Sollte der Realo-Antrag gleichfalls zur Abstimmung gestellt werden, könnte unter Umständen keiner der Anträge die erforderliche Zweidrittelmehrheit erzielen. Für diesen Fall hat der Bundesvorstand eine „Auffanglinie“ vorbereitet. Danach soll dann eine Art Parteirat auf Probe eingerichtet werden, der durch einen Anhang an die Satzung legitimiert wird. Dafür wäre nur eine einfache Mehrheit erforderlich. Nach zwei Jahren soll dann über die endgültige Einführung entschieden werden. Der Realo-Antrag wurde vom Fischer-Intimus Tom Koenigs formuliert. Auch die hessischen Minister Priska Hinz und Rupert von Plottnitz sowie die Bundestagsabgeordneten Mathias Berninger, Rita Grießhaber und Reinhard Loske zählen zu den Mitunterzeichnern. dr

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