Verbale Wegweiser

Logopädie ist ein begehrtes Berufsfeld. Stimm-, Sprech- und Sprachstörungen zu therapieren, wird an drei Schulen in Berlin gelehrt. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Eine Stelle findet man schneller

VON SOPHIE DIESSELHORST

Was ist der Unterschied zwischen einer Stimm-, einer Sprech- und einer Sprachstörung? „Zu den Sprechstörungen gehören Stottern und Lispeln. Sie beeinträchtigen den Redefluss. Patienten mit Sprachstörungen können bestimmte Worte nicht artikulieren, weil ihr Sprachzentrum gestört ist“, erklärt Clarissa Dröge. „Und eine Stimmstörung entsteht etwa durch die Lähmung eines Stimmbandes.“ Die 24-Jährige arbeitet in einem Berliner Therapiezentrum als Logopädin.

Dort therapiert sie Stimm-, Sprach, Sprech- und Schluckstörungen – vor allem bei Kindern. Besonders Kinder im Kindergartenalter haben oft Probleme in ihrer Sprachentwicklung. Dazu gehören zum Beispiel Satzfehlbildungen, Auslassungen einzelner Laute, Stottern und Lispeln. „Wir wollen, dass die Kinder Spaß an der Therapie haben“, sagt Dröge. So führt sie zum Beispiel lispelnde Kinder über spielerische Übungen an das schwierige ‚S‘ heran. „Das Symbol für das ‚S‘ ist die Biene, weil sie so schön summt.“ Dröge ist Logopädin geworden, weil sie während eines Freiwilligen Sozialen Jahres in einer betreuten Wohngemeinschaft erlebt hat, wie erwachsene Menschen, deren Sprachzentrum durch Krankheit oder einen Schlaganfall gestört war, ihre Sprache neu lernen mussten. Und wie sie durch ihre Sprachstörungen auch soziale Kompetenz einbüßten. „Ich wollte diesen Menschen helfen.“

Wie man kindliche Sprachstörungen therapieren kann und Menschen das Reden wieder beibringt, die ihre Sprache verloren haben, kann man deutschlandweit an 84 staatlichen und privaten Fachschulen lernen. Mindestvoraussetzung für die Aufnahme an diesen Schulen ist, dass man über 18 ist und einen Realschulabschluss hat oder nach dem Hauptschulabschluss eine mindestens zweijährige Lehre gemacht hat. Die Ausbildung dauert drei Jahre.

Julia Greither ist Logopädin und unterrichtet an der privaten Medizinischen Akademie Berlin, an der auch Dröge ihren Abschluss gemacht hat. „Die Ausbildung an den privaten und staatlichen Fachschulen unterscheidet sich nicht wesentlich, weil die Inhalte gesetzlich festgeschrieben sind“, sagt sie. Zu den theoretischen Inhalten gehören Bereiche der Medizin- und der Sozialtheorie. „Außerdem müssen die Auszubildenden Praktika machen und bei uns in der Schule unter Aufsicht Patienten therapieren.“ Das kostet Geld: die Schüler der „Medizinischen Akademie Berlin“ bezahlen derzeit 699 Euro im Monat. Staatliche Logopädieschulen erheben dagegen entweder gar keine oder wesentlich geringere Gebühren. „Um unsere Schüler finanziell ein bisschen zu entlasten, bieten wir ihnen die Möglichkeit, das Geld in sechs statt in drei Jahren abzuzahlen“, sagt Greither. Außerdem können die Schüler Bafög beantragen.

Die Nachfrage nach Studienplätzen ist auch an den Privatschulen trotz der hohen Gebühren groß. An der Medizinischen Akademie bewerben sich jedes Jahr Hunderte – auf rund 25 Plätze. Die Bewerber müssen an einem Auswahlverfahren in der Schule teilnehmen. Wichtige Kriterien sind unter anderem ein differenziertes mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen, eine gute Stimme, ein gutes Gehör und Einfühlungsvermögen. Obwohl das Abitur eigentlich nicht Aufnahmebedingung ist, werden Bewerber mit einem Gymnasialabschluss wegen der hohen Ansprüche der theoretischen Ausbildung bevorzugt.

Für Dröge hat sich die anstrengende Schulzeit gelohnt: „Ich hätte mir nur noch mehr praktische Übung in der Schule gewünscht“, sagt sie. Erfahrung sammelt sie jetzt im Beruf. Die Jobchancen für Logopäden sind gut. „Die meisten unserer Absolventen finden schnell eine Stelle“, sagt Greither. Natürlich sei es schwieriger, in großen Städten wie Berlin eine Anstellung zu finden als auf dem Land.

Von den rund 10.000 Logopäden, die es mittlerweile in Deutschland gibt, arbeiten fast drei Viertel in logopädischen Praxen. Andere mögliche Arbeitsstellen sind Kliniken und Rehabilitationseinrichtungen. Die meisten Logopäden spezialisieren sich schnell auf ein bestimmtes Feld. „Das ist einfach notwendig, weil jeder einzelne Bereich der Logopädie so komplex ist, dass es schier unmöglich ist, sich in allen wirklich gut auszukennen“, sagt Greither.

Dröge hat sich bisher noch nicht spezialisiert. In ihrem letzten Job hat sie vor allem Erwachsene therapiert, jetzt arbeitet sie mit Kindern. Doch eins steht für sie fest: sie will sich auf die Dauer selbständig machen. Denn auch wenn die Selbständigkeit am Anfang mit vielen Mühen verbunden sein kann, bietet sie doch die Chance, mehr Geld zu verdienen. Für angestellte Logopäden liegt der Höchstsatz bei knapp 3.000 Euro im Monat.