Milde für Mullahs

■ Keine Ermittlungen gegen iranische Staatsführung wegen Mykonos-Morden

Berlin (taz) – Der iranische Staatspräsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, Außenminister Ali Akbar Welajati und Religionsführer Ali Chamenei werden sich wegen ihrer Beteiligung am Mykonos-Attentat nicht strafrechtlich verantworten müssen. Rund fünf Wochen nach dem Berliner Mykonos-Urteil hat Generalbundesanwalt Kai Nehm gestern erklärt, daß er von Ermittlungsverfahren gegen die Mitglieder des Komitees für Sonderangelegenheiten absehe. Von diesem Komitee, dem Vertreter der iranischen Staatsführung angehören, war nach Erkenntnissen des Berliner Kammergerichts der Mykonos- Anschlag in Auftrag gegeben worden. Nur der Haftbefehl gegen den Geheimdienstminister Ali Fallahian besteht fort. Er war verantwortlich für die Tatausführung. Die übrigen Komitee-Mitglieder kommen ungeschoren davon.

Nehm erklärte dazu, daß die Reichweite der völkerrechtlichen Immunität weitgehend ungeklärt sei. Zudem würden weitere Ermittlungsansätze, um die näheren Umstände des Komitee-Beschlusses aufzuklären und den Komitee- Mitgliedern konkrete Tatbeiträge nachzuweisen, nicht bestehen. In dieser Situation, so Nehm, stünden der Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen die iranische Staatsführung, „überwiegend öffentliche Interessen“ entgegen.

Bereits im Dezember 1995 hatte die Bundesregierung versucht, überwiegend öffentliche Interessen geltend zu machen, um eine Einstellung der Ermittlungen gegen Geheimdienstminister Fallahian gemäß § 153 StPO zu erreichen. Damals war sie am Widerstand der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger gescheitert. Die Äußerung von Nehm deutet darauf hin, daß diesmal die politischen Belange der Bundesregierung mehr Berücksichtigung fanden.

Nehm verkündete gestern auch, daß gegen drei Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes Ermittlungen eingeleitet würden. Unter ihnen befindet sich mutmaßlich einer der Todesschützen, der nach dem Anschlag flüchten konnte. dr