Konzerne schröpfen

■ Unternehmer verursachen hohe Lohnnebenkosten und beklagen sich

Berlin (taz) – Die Lohnnebenkosten in der Bundesrepublik sind auch deswegen hoch, weil sich Großkonzerne aus den Sozialversicherungshaushalten bedienen. Wenn Handwerkspräsident Heribert Späth die Regierung schilt, daß die Lohnnebenkosten zu hoch seien, treffe er zumindest teilweise die Falschen, meint man deswegen bei den Sozialversicherungen und im Bundesarbeitsministerium.

„Die Großen nutzen die Sozialgesetzgebung aus zum Besten ihrer Betriebe“, erklärt zum Beispiel Eberhard Mann von der Bundesanstalt für Arbeit. Die Konzerne würden sich mit ausgeklügelten Modellen aus der Sozialkasse bedienen. „Das ist ein Privileg für große Betriebe, die nutzen das schamlos aus“, so Mann.

Im Bundesarbeitsministerium rechnet man vor, daß 100.000 ältere Arbeitnehmer, die auf diesem Wege erst in die Arbeitslosigkeit entlassen werden und dann später mit 60 Jahren in Frührente gingen, Kosten von 23,7 Milliarden Mark verursachten. Davon stammtem nur 1,8 Milliarden Mark von den Arbeitgebern, die restlichen rund 22 Milliarden Mark zahlten die Sozialversicherungen. In diesem Jahr machen nach Ministeriumsangaben rund 290.000 Arbeitnehmer von der Frühverrentung mit 60 Jahren Gebrauch. Etwa die Hälfte davon würden so in die Rente abgeschoben.

Die Bundesanstalt für Arbeit wird in diesem Jahr rund 47 Milliarden Mark für Arbeitslosengeld ausgeben. Zwanzig Prozent der Arbeitslosen sind über 55. Viele werden mit 56 Jahren arbeitslos, können dann 32 Monate Arbeitslosengeld erhalten, das von den Firmen etwas aufgestockt wird, um anschließend mit 60 Jahren frühverrentet zu werden.

Beim Verband deutscher Rentenversicherungsträger in Frankfurt/Main macht man eine ähnliche Rechnung auf. „1993 haben wir mal ausgerechnet, daß wir 82 Milliarden Mark versicherungsfremder Leistungen erbringen, aber nur 50 Milliarden aus dem Bundeshaushalt ersetzt bekommen“, so Klaus Peter Chlopcik. Profitieren von solchen Regelungen würden neben den Großkonzernen auch Freiberufler, Beamte und Leute mit besonders hohem Einkommen. Die zahlten keine oder nur beschränkte Beiträge.

Handwerkspräsident Späth kann man nach diesen Rechnungen eigentlich nur empfehlen, mit BDI-Chef Hans-Olaf Henkel Sparmöglichkeiten bei den Lohnnebenkosten zu erkunden. Eberhard Mann von der Bundesanstalt für Arbeit hat dafür einen Tip: Arbeitnehmer einen gleitenden Übergang in die Rente zu erlauben komme die Sozialversicherungen billiger und senke die Lohnnebenkosten. ten