DIE WEIBLICHE FORM IN DER AMTSSPRACHE
: Söhne/Töchter? Madln!

AUS WIEN

RALF LEONHARD

Wenn sich die Vorzeigeintellektuellen der Nation in einem offenen Brief für eine Sache einsetzen, dann muss es sich um eine hoch brisante Angelegenheit handeln. Österreichs Paradephilosoph Konrad Paul Liessmann, Mathematikguru Rudolf Taschner und der prominente Verfassungsrechtler Heinz Mayer zählen zu den 800 Erstunterzeichnern eines vergangenen Montag veröffentlichten Briefes, in dem sie die Abschaffung des obligatorischen Gebrauchs des Binnen-I im Amtsverkehr fordern: „Ein minimaler Prozentsatz kämpferischer Sprachfeministinnen darf nicht länger der nahezu 90-prozentigen Mehrheit der Staatsbürger ihren Willen aufzwingen.“

Der Brief wurde notabene von mehr Frauen als Männern unterschrieben. Ausgelöst wurde die Debatte durch den Grazer Alpenrocker Andreas Gabalier, der vor dem Österreich-Grand-Prix am 22. Juni die Bundeshymne gesungen hat. Und zwar in der nicht gegenderten Version, die 2012 ihre Gültigkeit verloren hatte. Per Bundesgesetz wurde die Textzeile „Heimat bist du großer Söhne“ in „Heimat großer Töchter und Söhne“ umgeschrieben. Bei offiziellen Anlässen ist die Hymne nach der offiziellen Fassung zu singen. Geld- oder Freiheitsstrafen bei Zuwiderhandeln sind keine vorgesehen. So wurde Gabalier zunächst nur von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek gemaßregelt, was nicht ihn, sondern sie einem gewaltigen Shitstorm aussetzte. Gabalier verkündete rotzig, er habe die Hymne in der Schule so gelernt, und im Übrigen wüssten alle, die seine Lieder kennten, dass er kein Frauenfeind sei. Die „Damenwelt“ tritt in seinen Texten vorwiegend in Gestalt von Dirndln, Madln und allenfalls Zuckerpuppen auf.

Prompt fand die auflagenstarke Kronen Zeitung die Kampagne für das innenpolitische Sommerloch und verkündete, dass 90 Prozent der Österreicher die „großen Söhne“ ohne Töchter zurückhaben wollten.

Die Briefunterzeichner und -unterzeichnerinnen würden den Vorwurf des Frauenhasses gewiss zurückweisen. Sie wollen aber eine „von oben her verordnete konsequente getrenntgeschlechtliche Formulierung“ in Gesetzen, Behördentexten, aber auch Schulbüchern nicht länger hinnehmen. Denn sie „zerstört die gewachsene Struktur der deutschen Sprache bis hin zur Unlesbarkeit und Unverständlichkeit“. Dass der Brief von der Plattform muttersprache.at lanciert wurde, die personelle Verflechtungen zur rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft hat, dürften die Geistesgrößen übersehen haben.

Die feministische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz sah sich zu einem Kommentar im Standard provoziert, der sie unter den Leserbriefschreibern der Kronen Zeitung nicht populärer machen wird: „Wenn eine kleine Gruppe eine andere Gruppe als Minderheit bezeichnet, dann geht es um Macht. Wenn die Bezeichnung Minderheit zu einer Beschuldigung wird und so geredet wird, als wäre der eigene Leidensdruck nun unerträglich geworden, dann erinnert das an das nationalistische Selbstbestätigungsreden des 19. Jahrhunderts.“