Europas Dumping ärgert Afrikas Bauern

Auf dem Weltsozialforum in Nairobi protestieren afrikanische Basisorganisationen erstmals gemeinsam gegen die EU-Pläne für neue Freihandelsabkommen mit den ärmsten Ländern. Diese sollen ihre Märkte komplett für EU-Schrottprodukte öffnen

AUS NAIROBI MARC ENGELHARDT

Jeden Morgen quält sich Justus Lavi eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang aus dem Bett. Nach einer Tasse Tee im Stehen füttert der kenianische Kleinbauer die Hühner, mäht Gras für seine Kühe, schaut im Maisfeld nach dem Rechten. Gestern gegen halb neun ließ Lavi die Arbeit liegen und stieg in einen Minibus in die Hauptstadt Nairobi. Zwei Stunden später steht er in einem roten T-Shirt vor der Vertretung der EU-Kommission und buht den Botschafter aus. „Die EU muss die Verhandlungen über die Partnerschaftsabkommen mit Afrika stoppen“, fordert Lavi. „Sonst werden wir hier mit Überschussprodukten überschwemmt und ich muss meinen Hof dichtmachen.“

Gut 500 Bauern und Aktivisten haben sich dem Protest gegen die „EPAs“, die wirtschaftlichen Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und afrikanischen Ländern, angeschlossen. Mehr als 30.000 Teilnehmer des laufenden Weltsozialforums in Nairobi haben eine Petition gegen die EPAs unterschrieben. „Europas neuer Griff nach Afrika“ steht auf den Aufrufen, darunter ein Foto von einer Afrikanerin, der eine weiße Hand den Hals zudrückt. Nein, das ist kein zu drastisches Motiv, meint Martin Gordon vom britischen Hilfswerk Christian Aid: „Die Partnerschaftsabkommen haben mit Partnerschaft nichts zu tun. Die EU versucht sich neue Märkte in Afrika zu sichern, ohne Rücksicht auf Verluste.“

Die Partnerschaftsabkommen sollen Nachfolger des Lomé-Abkommens sein, das 77 ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum (AKP-Staaten) seit den 70er-Jahren bevorzugten Zugang zum europäischen Markt einräumt. Bis Ende 2007, so will es die EU, sollen die EPAs die alte Vereinbarung ersetzen. Nach Willen der Kommission sollen die ärmsten Länder danach nur dann begünstigt in die EU exportieren können, wenn die EU unbegrenzten Zugang zu ihren Märkten bekommt.

„Wir sehen schon heute in Westafrika, was so etwas bedeutet“, warnt Valerie Traoré vom afrikanischen Anti-Globalisierungs-Netzwerk Acord. In Kamerun sei der Markt mit tiefgefrorenen Hühnchen fragwürdiger Qualität überschwemmt worden, die die EU als Überschuss entsorgen wollte – lokale Hühnerproduzenten gingen ein, weil sie mit Europas Dumping-Preisen nicht mithalten konnten.

Nicht nur die Bauern haben das Nachsehen, glaubt Martin Gordon. In Westafrika, schon jetzt die Region mit den niedrigsten Zöllen weltweit, würden den Regierungen ein Zehntel ihrer Steuereinnahmen wegbrechen.

Dass sich die Regierungen nicht zur Wehr setzen, liegt am Ablauf der Gespräche. „EU-Handelskommissar Peter Mandelsson verhandelt mit sechs regionalen Handelsbeauftragten, deren Büros von der EU finanziert werden.“ Die afrikanischen Organisationen, die erstmals gemeinsam eine solche Kampagne durchführen, wollen solcher Klüngelei mit mehr Transparenz vorbeugen. „Bislang findet alles im Geheimen statt, das muss sich als Erstes ändern“, fordert Acord-Chefin Traoré.