BARROSO UND MERKEL HABEN ANGST VOR DEM SCHADSTOFFARMEN AUTO
: Ungebremst für die Industrie

Der EU-Kommissionspräsident geht Konflikten lieber aus dem Weg. Über die Frage, mit welchen Mitteln man Autobauer zur Entwicklung schadstoffarmer Modelle überreden soll, gibt es in seinem Haus heftigen Streit. Den für heute angekündigten Kommissionsvorschlag hat er nun vertagt.

In einer Woche wird Manuel Barroso allerdings wieder vor dem gleichen Dilemma stehen. Auf der einen Seite drängen Umweltschützer, Klimaforscher, der Umweltkommissar und der deutsche Umweltminister, endlich Grenzwerte für den CO2-Ausstoß gesetzlich vorzuschreiben. Auf der anderen Seite drohen deutsche Autobauer – flankiert von Industriekommissar Günter Verheugen – mit dem Verlust zahlreicher Arbeitsplätze in der Branche. Die erforderlichen Entwicklungskosten, so das Argument, machten deutsche Autos unbezahlbar.

Kommissionspräsident Barroso agiert wie ein kleines Kind, das Angst vorm Zahnarzt hat. Schon nächste Woche muss er aber Farbe bekennen. Um den Ärger in Grenzen zu halten, wird Barroso auf eine möglichst allgemein formulierte Erklärung zum Klimaschutz drängen, die den Regierungen mehrere Alternativen zur Auswahl stellt. Reibungsärmere Reifen und eine bessere Verkehrsplanung tragen doch auch zum Spritsparen bei! Da muss man doch nicht gleich all denen den Spaß verderben, die auf das satte Brummen unter der Haube nicht verzichten möchten!

Schade um die vertane Chance. Nach ihrem Bekenntnis zum Klimaschutz wäre Angela Merkel die Richtige gewesen, um ein ehrgeiziges Gesetzesprojekt auf den Weg zu bringen, mit dem stufenweise der CO2-Ausstoß zurückgefahren werden könnte. In der Rolle der neutralen Verhandlungsführerin, die ihr die Ratspräsidentschaft bis Ende Juni auferlegt, hätte sie nationale Sonderinteressen von Mercedes, Porsche oder BMW zurückstellen müssen.

Doch die Gesetzesinitiative liegt in der EU bei der Kommission. Barroso wird schon dafür sorgen, dass seine Parteifreundin nicht in Verlegenheit kommt. Begnügt sich seine Kommission mit ein paar mahnenden Plattitüden, muss die Ratspräsidentin nicht tätig werden. DANIELA WEINGÄRTNER