Durchblick beim Wasser

Volksentscheid in Berlin erstmals erfolgreich

BERLIN taz | 98,2 Prozent der Berliner, die am Sonntag zum Volksentscheid gingen, stimmten mit „Ja“. Damit ist der von der Initiative Berliner Wassertisch angeregte Gesetzentwurf über die Offenlegung der Verträge zur Teilprivatisierung der landeseigenen Wasserbetriebe angenommen. Der Gesetzentwurf verlangt nun, dass alle Verträge zum Verkauf offengelegt werden müssen, andernfalls sind sie ungültig.

Vom „erfolgreichsten Volksentscheid Deutschlands“ spricht Michael Efler vom Verein Mehr Demokratie. Allerdings bezieht er sich damit nicht auf die absoluten Teilnehmerzahl, die bei Volksentscheiden in Flächenländern bereits deutlich höher war. Während in Berlin am Sonntag knapp 680.000 Menschen zur Abstimmung gingen, waren es 2010 bei einem Volksentscheid in Bayern 3,5 Millionen.

Die Hürden, die die Bundesländer aufgestellt haben, sind unterschiedlich hoch. In den meisten Ländern reicht es nicht, dass die Mehrheit für eine Gesetzesinitiative ist, zusätzlich gelten sogenannte Zustimmungsquoren. Das heißt, es müssen je nach Bundesland zwischen 15 und 33 Prozent der Wahlberechtigten dem Gesetzesentwurf der Initiative zustimmen. In Berlin liegt das Quorum bei 25 Prozent. Die Hürde wirkt: 19 Volksentscheide gab es bislang, den Großteil seit Beginn der 90er Jahre. In der Mehrzahl der Länder gab es noch nie einen Volksentscheid.

Es fällt auf, dass dort, wo die Hürden niedrig sind, die Bürger häufiger einen Entscheid anstreben – so in Hamburg und Bayern, wo 2010 Volksentscheide erfolgreich waren. Die Bayern stimmten im vergangenen Sommer über ein Nichtraucherschutzgesetz ab. Ein Quorum gab es nicht, knapp 38 Prozent beteiligten sich, davon stimmten 61 Prozent für das Gesetz, das im darauffolgenden Monat in Kraft trat.

Wenige Tage nach den Bayern stimmten die Hamburger über einen Gesetzentwurf zur Schulreform ab. Hamburg hat ebenfalls ein Zustimmungsquorum, das jedoch mit 20 Prozent niedriger liegt als das in Berlin. Der Gesetzentwurf der Initiative erhielt knapp 30.000 Stimmen mehr, als für das Quorum nötig gewesen wären.

Themen wie Bildung und öffentliches Eigentum seien typisch für Volksentscheide, sagt Michael Efler. Die nächsten Entscheide stehen bereits an: In Hamburg geht es um die Rekommunalisierung des Stromnetzes und um eine Verfassungsänderung, die eine Bürgerbeteiligung bei Privatisierungsvorhaben vorsieht. SVENJA BERGT

Berlin SEITE 19, 22