Der Charme des alten Hafens

Ein Glasturm soll den Eingang zur Überseestadt markieren, am anderen Ende rollen die Bagger an. Stadtteil-Politiker fürchten, dass den Neubauten die letzten Spuren des Hafens zum Opfer fallen

von Armin Simon

Keine Angst, der Dom behält die Ehre. 98 Meter messen seine Türme, und auch das „höchste Bürogebäude Bremens“, das ab Mai am Ende der Schlachte, jenseits der Bahn- und Straßenbrücken entstehen und den Eingang zur Überseestadt markieren soll, bleibt fast 18 Meter darunter. Gestern stellte die Bauherrin, die H. Siedentopf GmbH & Co. KG, den endgültigen Entwurf ihres „Weser Tower“ vor: 18.000 Quadratmeter auf 22 Etagen, designt vom Chicagoer Architekten Helmut Jahn. Tochterfirmen der EWE AG wollen die unteren 13 Etagen beziehen, die MitarbeiterInnen via „Ganzglasfassade“ die Aussicht genießen.

Von „hafenähnlicher Architektur“, wie sie etwa die Grünen BeiratspolitikerInnen in Walle fordern, ist keine Rede. 15 weitere Meter ist der Turm gewachsen, verglichen mit den vor Monaten vorgestellten Skizzen, die Bauherrin lobt die „effiziente Gebäudegeometrie“. „Ein Glücksfall für die Glaser-Innung“, nennt Ortsamtsleiter Hans-Peter Mester den Entwurf, der Geschäftsführer der Architektenkammer, Florian Kommer, will sich zur Qualität des Baus lieber erst gar nicht äußern. „Das ist halt ein hoher Kasten mit ’nem Glassegel“, sagt er, und die „Transparenz“, von der der Investor schwärmt, hält er für „großen Quatsch“: „Das spiegelt.“

Nichtsdestotrotz hält er ein Hochhaus an dieser Stelle, auch eines „mit ganz anderem Habitus“ als die alten Hafenbauten, für „völlig richtig platziert“. In der 70-Millionen-Euro-Investition an sich sieht er gar ein „städtebauliches Signal“, das den langersehnten Startschuss für die Besiedlung der Brache geben könne. Den hafentypischen Schuppen, die dafür weichen mussten, trauert er nicht nach. Erstens müsse man akzeptieren, dass die Überseestadt kein Hafenquartier mehr sei, „identitätsstiftend“ seien zweitens ganz andere Bauten: das ehemalige Zollhaus, der gekrümmte Schuppen direkt hinter dem Speicher I, die Backstein-Gebäude von Rolandmühle und Kaffee HAG und nicht zuletzt der Leuchtturm ganz hinten am Wendebecken. Diese Zeugnisse der Hafen-Zeit müsse man „hegen und pflegen“ und vor der Abrissbirne schützen.

Cecilie Eckler-von Gleich (Grüne), Sprecherin des Fachausschusses „Überseestadt“ im Beirat Walle, würde die Liste der schützenswerten Hafen-Spuren gerne noch um zwei Mauern erweitern: um die alten Spundwände des Überseehafenbeckens, deren Oberkanten im hinteren Teil, in Richtung Wendebecken, noch aus dem Sand ragen. Sechseckige Basaltsteine, rund hundert Jahre alt, sind es an der Südseite in Richtung Weser, auf die etwas jüngere Wand auf der Nordseite, vor dem noch benutzten Schuppen 17, haben Schiffsbesatzungen ihre Namen gekritzelt. „Viele Menschen, die sich für die Überseestadt interessieren, suchen das Maritime und Historisches, das daran erinnert“, sagt Eckler-von Gleich. Mindestens eine der Mauern solle daher erhalten bleiben.

Bei der BIG, die das Gelände für die geplante Wohnbebauung vorbereiten soll, hat man dafür wenig Verständnis. Gestern beschloss man nicht nur den Abriss von drei der insgesamt vier Schuppen zwischen Weser und ehemaligem Hafenbecken, sondern den der südlichen Spundmauer gleich mit dazu. Die Wand sei unterspült, Hohlräume drohten einzubrechen, hieß es, zudem liege sie im Bebauungsfeld. „Wir haben ein Interesse daran, dass die örtliche Identität erhalten bleibt“, sagt der Geschäftsführer der Projektentwicklungsgesellschaft Hafenkante, Nikolai Lutzky: „Aber nicht auf Kosten der Bebaubarkeit.“