Präsident Lula schickt Soldaten nach Rio

Brasiliens wiedergewählter Präsident Lula da Silva stimmt dem Einsatz von Militär und Sondereinheiten gegen die Drogenhändler im Bundesstaat Rio de Janeiro zu. Die wollen offenbar dem neuen Gouverneur ihre Macht beweisen

Künftig soll ständig Militär in Rio patrouillieren, will der Gouverneur

VON JÜRGEN VOGT

Als eine der ersten Maßnahmen nach seinem Amtsantritt hat der Gouverneur des brasilianischen Bundesstaates Rio de Janeiro, Sergio Cabral Filho, Präsident Lula da Silva um die Entsendung von Streitkräften gebeten, um seinen Bundesstaat zu schützen.

Kurz vor Cabral Filhos Amtsantritt hatte die Drogenmafia in der Nacht zum 28. Dezember mit Angriffen auf Polizeiwachen und Linienbussen mindestens 24 Menschen getötet. Sieben Menschen verbrannten, als rund 30 Maskierte einen Fernbus in Brand steckten.

Die Anschläge wurden angeblich bei einem Treffen der örtlichen Drogenbosse beschlossen, um gegen den Vormarsch der Polizei gegen ihre Geschäfte vorzugehen. Die Presse vermutete, die Drogenbosse wollten dem neuen Gouverneur zeigen, wer Herr im Bundesstaat ist. Präsident Lula nannte die Angriffe „Terrorismus“.

Die Angriffe und Tötungen fanden auch nicht wie sonst üblich in den Elendsvierteln auf den Hügeln von Rio statt, sondern kamen den reichen Vierteln im Süden ziemlich nahe. Zudem erinnerten die Ereignisse an die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Drogenmafia im Mai und Juli vergangenen Jahres, als im Großraum São Paulo bei einer Serie von Anschlägen mehr als 120 Menschen getötet wurden. Zwar hatte sich die Lage zur Silvesternacht wieder beruhigt, aber kaum im Amt, hatte Sergio Cabral Filho am Mittwoch angekündigt, er werde den Einsatz des Militärs und der sogenannten „Kraft für die Nationale Sicherheit“ (FSN) bei Präsident Lula beantragen.

Als bräuchte der Gouverneur noch ein Argument, wurde wenig später ein Touristenbus mit sechs Urlaubern aus Deutschland, Kroatien und Österreich auf der Fahrt vom Flughafen in die Stadt überfallen und ausgeraubt. Der Kleinbus wurde zunächst auf der Straße gestoppt und anschließend mit den Touristen in die Favela Nova Holanda gefahren. Dort wurde den Urlaubern abgenommen, was sie besaßen. Wenig später bat Cabral Filho offiziell Lula um Truppenhilfe – und der Präsident stimmte am Donnerstag dem Einsatz der Força Nacional de Segurança Pública zu.

Lula selbst hatte die Elitetruppe im November 2004 ins Leben gerufen, um eine Eingreiftruppe für innerstaatliche Konfliktsituationen neben den offiziellen Streitkräften zu haben. Gegenwärtig kann die Truppe auf rund 7.700 Frauen und Männer zurückgreifen und ist eine Mischung aus speziell geschulten Militärpolizisten und Feuerwehrleuten. Bisher kam die Truppe zweimal zum Einsatz, in den Bundesstaaten Espírito Santo und Mato Grosso do Sul.

Bisher ist geplant die FSN nur zur Sicherung der Grenzen einzusetzen. Sie soll das Einsickern von Drogen, Waffen und unerwünschten Personen verhindern. Aber nach den Vorstellungen von Cabral Filho könnten sie auch bald auf den Straßen der Stadt Rio de Janeiro auf Streife gehen.

Am 19. Januar findet das halbjährliche Gipfeltreffen der Mercosurstaaten in Rio statt. Und zum Karneval im Februar schaut die Welt wieder nach Rio. Da will sie nackte Haut sehen und keine überfallenen Touristen.