Der Stahl-Konzern verändert die Ruhrstadt

Der Name Krupp ist in Essen allgegenwärtig. Jetzt kehrt der Konzern auf das Gelände der Gussstahlfabrik zurück

ESSEN taz ■ Orgeltöne fließen durch den Alfried-Krupp-Saal in der Essener Philharmonie. Pierre Pincemaille & Roland Maria Stangier improvisieren zu Bedrich Smetanas „Mein Vaterland“. Der aus Essen stammende Konzern ThyssenKrupp ist in den Museen und Konzerthäusern seiner Heimatregion allgegenwärtig. Hier wird gesponsert, was dem Renommee nützt, neben der neuen Philharmonie werden auch die Deutsche Oper am Rhein und die Duisburger Philharmoniker unterstützt. Auch das Düsseldorfer Schauspielhaus freut sich über Zuschüsse.

Doch seit klar ist, das ThyssenKrupps neues „Headquarter“ von Düsseldorf nach Essen verlegt wird, brechen an der Ruhr, in der Europäischen Kulturhauptstadt 2010, alle Sponsoring-Dämme. Quasi über Nacht entschied Berthold Beitz, Vorsitzender der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, im Sommer 2006 ohne großes Brimborium mal eben 55 Millionen Euro für einen Neubau des Essener Museums Folkwang zu spenden. Das ist würdiges Mäzenatentum für ein Haus, das der Stahlkonzern seit drei Jahrzehnten unterstützt – wenn auch nicht ganz ohne Hintergedanken. Die gesamte Stadt soll konzernzentralenkompatibel werden. Mit dem Neubau im historischen Kern der 1811 gegründeten Gussstahlfabrik Friedrich Krupp will man auch „die Skyline verändern“.

Denn große Teile des ehemaligen Fabrikgeländes liegen seit Jahrzehnten brach. Zwischen dem Förderturm der ehemaligen Zeche Helene Amalie, Schrottplätzen und dem Straßenstrich auf der Pferdebahnstraße herrscht eine schaurig-morbide Stimmung. Für Leben sorgt einzig das Metro-Zentrallager auf dem ehemals konzerneigenen Schießplatz. Fast scheint es, als sei ThyssenKrupp die eigene Vergangenheit als Waffenschmiede der Weltkriege peinlich: Selbst die letzten Reste der alten Konzernzentrale, des so genannten Turmhauses, wurden vor wenigen Monaten abgerissen.

Jetzt aber wird gebaut. Entschieden haben sich die Stahlkocher für die Umsetzung des Entwurfs von Chaix&Morel et Associés, Paris/ JSWD Architekten und Planer, Köln. Sie haben den internationalen Architektenwettbewerb gewonnen. Der entsprechende Vertrag ist in Essen bereits unterzeichnet worden. Begründung: Eine städtebaulich vertraute Struktur erhält durch die großzügige Wasserachse und das Gebäude für ThyssenKrupps „Headquarter“ eine eigenständige Adresse als städtischer Erlebnisraum. Die Fläche werde so durch die prägnante Form des Headquarters ein „Landmark“ von angemessener Dimension im Zentrum – zum Bild und Ausdruck für ThyssenKrupp.

Für den Neubau des Folkwangmuseums wurden zwölf Architektenbüros eingeladen. Mit dabei auch wieder die Avantgardistin Zaha Hadid aus London, die mit ihrem Headquarter-Entwurf, dessen Materialeinsatz eine technologische Herausforderung gewesen wäre, nur auf dem dritten Platz landen konnte. PETER ORTMANN