Regierungskrise in Den Haag

Niederländisches Parlament und Regierung streiten über Abschiebungsstopp

BERLIN taz ■ Die Niederlande stehen vor einer Regierungskrise. Kabinett und Parlament streiten sich unversöhnlich darüber, was mit 26.000 abgelehnten Asylbewerbern geschehen soll, die vor 2001 eingereist sind. Eine Parlamentsmehrheit hatte einen Abschiebestopp beschlossen. Dennoch besteht Integrationsministerin Rita Verdonk darauf, die Asylbewerber auszuweisen – darunter Homosexuelle aus dem Iran, denen dort die Todesstrafe droht. Das Parlament in Den Haag sprach Verdonk daraufhin am Dienstagabend das Misstrauen aus.

Diese Revolte der Abgeordneten ist nur möglich, weil sich die Niederlande in einem Machtvakuum befinden: Nach den Wahlen vom 22. November verfügen die linken und christlichen Parteien über eine hauchdünne Parlamentsmehrheit. Trotzdem amtiert immer noch die alte Regierung aus den christdemokratischen CDA und der rechtsliberalen VVD, der auch Verdonk angehört. Denn eine neue Kabinettsbildung ist schwierig, weil die Parteien so zersplittert sind, dass selbst eine große Koalition aus CDA und Sozialdemokraten keine Mehrheit erreichen würde. Immerhin gilt jedoch als sicher, dass die VVD an der nächsten Regierung nicht mehr beteiligt sein wird, da sie bei den Wahlen von 18,6 auf 14,6 Prozent abrutschte. Integrationsministerin Verdonk nutzte also eine der letzten Möglichkeiten der Profilierung.

Die abgelehnten Asylbewerber beschäftigen die niederländische Politik seit Jahren. Durch Familienzusammenführung ist ihre Zahl inzwischen auf 31.600 angewachsen. Allerdings besitzen 44 Prozent inzwischen eine Aufenthaltsgenehmigung; weitere 22 Prozent haben das Land verlassen. Letztlich geht es daher um rund 11.000 Personen, die „mit unbekanntem Ziel“ verschwunden sind und untergetaucht sein dürften. UH

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