Teilen statt Tonne

SELBSTBEDIENUNG Ein öffentlicher Kühlschrank im Hinterhof des Kreuzberger Tommy-Weissbecker-Hauses hilft beim Foodsharing

„Bei uns bleibt nichts lange liegen“

LISA BERGER, ORGANISATORIN

VON HANNAH KÖNIG

Knapp 82 Kilo Lebensmittel wirft jeder Deutsche pro Jahr in den Müll. Nach der WG-Party steht noch das halbe Büffet in der Küche; kurz vor dem Urlaub ist der Kühlschrank randvoll; die neue Zitronen-Pfeffer-Schokolade schmeckt doch nicht so gut wie erwartet – am Ende landet alles in der Tonne.

Das wollen die Freiwilligen von Lebensmittelretten.de ändern. Im Hinterhof des Tommy-Weissbecker-Hauses, einem Wohnkollektiv in der Wilhelmstraße 9, haben Lisa Berger und andere Ehrenamtliche aus Kreuzberg deshalb zwei Kühlschränke aufgestellt. Der „Fair-Teiler“ hat im Inneren eines ehemaligen Kassenhäuschens Platz und ist für jeden rund um die Uhr zugänglich. Statt die ungeliebte Schokolade wegzuwerfen, können Berliner ihre Lebensmittel jetzt mit anderen teilen.

„Hier kann jeder etwas abgeben, der aktiv werden möchte – und jeder kann sich bedienen“, erklärt Organisatorin Berger. Aber nicht nur Privatpersonen, auch viele Kreuzberger Betriebe spenden für das Projekt. Jeden Tag sammeln Dutzende Foodsaver bei Supermärkten, Bäckereien und Hotels Lebensmittel ein, die nicht mehr verkauft werden können.

Der Fair-Teiler-Kühlschrank sieht deshalb immer aus wie kurz nach dem großen Wocheneinkauf. Wie in einer Wohngemeinschaft ist er aber auch genauso schnell wieder leer. „Bei uns bleibt nichts lange liegen“, sagt Berger.

Nach nur zwei Monaten hat der Fair-Teiler schon viele Abnehmer gefunden. Bis zu 20 Menschen am Tag bedienen sich am Kühlschrank, schätzt Berger, für sich und andere. Mittlerweile kommen auch viele Nachbarn. „Wir freuen uns sehr darüber, dass der Fair-Teiler so gut angenommen wird“, sagt die 27-Jährige, die jenseits ihres ehrenamtlichen Engagements in einem Naturkosmetikladen arbeitet. „Das fördert auch den Zusammenhalt im Kiez.“

Wie bei jedem WG-Kühlschrank stellt sich aber auch bei diesem vor allem eine Frage: Wer putzt? „Wir versuchen uns damit abzuwechseln“, sagt Berger. Einen Putzplan gibt es bei den Lebensmittelrettern nicht. Das Projekt soll von der Gemeinschaft getragen werden. „Wenn es nicht hübsch aussieht, wird eben kurz durchgewischt.“

Ganz ohne Regeln klappt es aber auch beim Fair-Teiler nicht. Einige Lebensmittel sind im Kühlschrank Tabu, zum Beispiel Schweinemett und Rindergehacktes, frische Speisen mit rohem Ei und Produkte aus nicht erhitzter Rohmilch. Wer etwas Verfaultes oder Vergammeltes findet, soll es sofort entsorgen. Und vor allem gilt: „Bitte hinterlasse nur Lebensmittel, die Du auch selbst essen würdest.“

Das Kreuzberger Projekt zeigt: Mit einem Kühlschrank kann man die Welt doch ein bisschen besser machen. Noch besser macht man sie allerdings mit vielen: Ein zweiter Fair-Teiler steht bereits in der Küche des Mehrgenerationenhauses in der Kreuzberger Wassertorstraße. Und die Foodsaver suchen bereits nach weiteren Standorten für ihre Kühlschränke.

Mehr Infos zum Projekt unter www.lebensmittelretten.de