WARUM EINE WIEDERHOLUNG DER EUROPAWAHL ARBEITSPLÄTZE SICHERT UND MAN UM DIE CSU KEINE ANGST HABEN MUSS – TROTZ ERWIN HUBER
: Die Spitzenjuristen und der dicke Hund

JOSEF WINKLER

Haben Sie’s gehört? Jetzt muss vielleicht die Europawahl wiederholt werden. Nein, nicht um die Europabegeisterung in noch schwindelndere Höhen zu peitschen. Sondern weil Giovanni di Lorenzo mal wieder den Mund nicht hat halten können. Ätsch, ich hab doppelt gewählt und keiner hat’s gemerkt!

Nein, ich weiß, er hat’s nur nicht gewusst, dass er das nicht darf – und wie auch! Man kriegt ja wahrscheinlich kaum was mit vom wahren Leben im Wolkenkuckucksheim, in der bonbonbunten Gaga-Parallelwelt als Chefredakteur der Zeit und Herausgeber des Tagesspiegels. Aber jetzt sind die „Spitzenjuristen“ alarmiert! Ja, alles legt die Ohren an, deutsche Spitzenjuristen sind auf den Plan getreten und haben den schlafenden Hund, den Giovanni di Lorenzo da aufgeweckt hat, abgetastet und analysiert, der Hund sei in der Tat dick, und wenn das außer dem di Lorenzo noch ein paar Millionen so gemacht haben, dann könnte dies zur Ungültigkeit der Wahl führen. Also noch mal?

Das wäre auf der einen Seite gut, weil wir ja eh keine anderen Probleme haben. Und weil so eine erdteilweite Wahl natürlich auch Arbeitsplätze sichert. Also: nicht bei denen, die wirklich Arbeit damit haben – die ganzen Volunteers könnten sich halt freuen, dass sie sich noch mal so richtig für Europa engagieren dürfen. Aber es würden zum Beispiel weitere erhellende Wahlwerbespots produziert, und da sind ja immer ein paar Mille drin für die Kreativen.

Mittwoch Matthias Lohre Konservativ

Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe

Freitag Jürn Kruse Fernsehen

Dienstag Deniz Yücel Besser

Mittwoch Martin Reichert Erwachsen

Gut wär’s natürlich auch für die CSU, die in so einem zweiten Wahlgang vielleicht dem Front National oder so noch ein paar Prozentpunkte abluchsen könnte. Ganz schlimm haben sie’s ja grad in der CSU, nur 40 Prozent bei der Europawahl! Apokalyptische Szenarien werden hingestellt, schon steht die Frage im Raum, ob das überhaupt angehen kann und wer jetzt eigentlich noch ein gutes Wort fürs Bayernlandl einlegen soll, wenn die Gurkenkrümmer in Brüssel wieder ihren Rappel kriegen? Man zerfleischt sich ja regelrecht. Kläff. Erwin Huber, einer der größten Fehler der bayerischen Politik in der Nachkriegszeit, wirft Horst Seehofer vor, im Wahlkampf schwere Fehler gemacht zu haben, und freilich gehört das alles zum rituellen Gesundlabern, wo man doch längst weiß, dass der CSU nie nix passieren kann. Das ist wie mit dem Lied, das meine Tochter letztens aus dem fußballinfizierten Kindergarten nach Hause gebracht hat: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“. Der alte Nostalgieklassiker, von der Realität vollständig überholt. Wie die Internationale. So wie die Internationale nicht mehr das Menschenrecht erkämpfen wird, so wird auch dem FC Bayern keiner mehr die Lederhosen ausziehen – dieser Zug ist abgefahren, die Zeiten sind nicht mehr so. Und genauso wird die CSU nie mehr weggehen, die sich ja sogar felsenfest auf ihre Protestwähler verlassen kann, die dann – hundertmal ins Knie gefickt – bei jedem CSU-Ergebnis unter 52 Prozent doch wieder eine Heidenangst vor der eigenen Courage kriegen und erst wieder ruhig schlafen können, wenn die absolute Mehrheit wiederhergestellt ist. Für deren Gemütsruhe wäre eine Wahlwiederholung Gold wert.