Wirbel um Werbung

In der EU gehen die Beratungen über die umstrittene neue Fernseh-Richtlinie in die entscheidende Phase

Der politische Streit um die neue EU-Richtlinie für audiovisuelle Medien geht heute in die nächste Runde. Während sich am Abend in Straßburg der Kulturausschuss des Europaparlaments mit mehr als eintausend Änderungsanträgen zum Entwurf der EU-Kommission herumschlagen wird, beraten bereits am Vormittag die Kultusminister der Mitgliedstaaten in Brüssel. Einigkeit herrscht, dass es aufgrund der Digitalisierung neuer Regelungen für audiovisuelle Dienste bedarf – die bislang geltende Richtlinie stammt aus dem Jahr 1989. Doch das war es auch schon mit den Gemeinsamkeiten.

Einige Länder wie Großbritannien glauben, dass nur großzügigere Werberegeln das Überleben europäischer Produktionen im Wettbewerb mit US-Programmen sichern können. Sie setzen sich für die Freigabe von Product Placement und die Aufhebung des Blockwerbegebotes ein. In der zuständigen Kommissarin Viviane Reding haben sie eine zuverlässige Verbündete, doch deren erster, radikal liberalisierender Richtlinien-Entwurf ist mittlerweile aufgeweicht. Widerstand kommt aus Ländern wie Schweden, Frankreich, Belgien oder Österreich, die fürchten, dass europäische Programme nicht mehr von amerikanischen zu unterscheiden sind, wenn die Auflagen für Werbung gelockert und kommerzielle von redaktionellen Inhalten nicht mehr klar getrennt werden.

Im Europaparlament verlaufen die medienpolitischen Gräben hingegen grenzüberschreitend: Hier machen sich vor allem Sozialisten, Linke und Grüne dafür stark, die Werbung strenger zu reglementieren. Sie wollen nur noch alle 45 Minuten einen Werbeblock zulassen, während jetzt alle 20 Minuten das Programm für Werbung unterbrochen werden kann. Die EU-Kommission hatte einen Abstand von 35 Minuten vorgeschlagen. Außerdem möchten Sozialisten, Linke und Grüne Product Placement am liebsten ganz verbieten. Konservative, Liberale und Unabhängige möchten es erlauben, aber mit klaren Spielregeln. Es soll nur in Serien, Spielfilmen oder Sportsendungen erlaubt sein. Der Zuschauer wird durch ein neutrales Logo darüber informiert, das am Bildrand eingeblendet wird. In Kindersendungen und Nachrichten würde Produktplatzierung ganz verboten. Unzulässig wäre nach der Reform weiterhin das sogenannten Themen-Placement, bei dem Firmen den Inhalt von Dialogen bestimmen und dafür bezahlen.

Die deutsche CDU-Abgeordnete Ruth Hieronymi, die den Bericht zur neuen Fernsehrichtlinie im EU-Parlament betreut, ist inzwischen optimistisch, dass sich Mitgliedsländer und Parlament bald auf einen Kompromiss einigen werden. Denn zunehmend verdrängen Pay- und „On Demand“-Dienste die klassischen Sender. Für Websites wie YouTube, wo User neben privaten auch urheberrechtlich geschützte Videos austauschen, gilt die alte Fernsehrichtlinie nicht. „Wenn man nichts ändert, wächst der Anwendungsbereich aus der Richtlinie heraus und in die E-Commerce-Richtlinie hinein“, sagt Hieronymi. „Die Mitgliedsländer haben verstanden, dass sie etwas tun müssen, wenn sie nicht ihre medienpolitische Zuständigkeit an die Kommission, die den übrigen Binnenmarkt regelt, verlieren wollen.“

Daniela Weingärtner