„Wir brauchen eine europäische Aufsicht“

Christian von Hirschhausen: Stromkonzerne müssen Informationen liefern, um Blackouts verhindern zu können

taz: Herr von Hirschhausen, wieso ist bis heute die genaue Ursache des Blackouts vom Wochenende unbekannt?

Christian von Hirschhausen: Die Netzbetreiber sind nicht zur vollen Offenlegung aller Informationen verpflichtet. Das Wirtschaftsministerium kann erst mal nur darum „bitten“. Mittelfristig wird Eon den Vorfall aufklären müssen, denn die Betriebslizenz ist an eine Informationspflicht gegenüber dem Wirtschaftsministerium gebunden. Insgesamt sollte der Netzbetrieb transparenter gemacht werden.

Welches Interesse haben Stromkonzerne, Informationen über die Auslastung der Netze für sich zu behalten?

Detaillierte Daten über die Netzauslastung und die Stromerzeugung bedeuten bares Geld. Die Verläufe von Stromangebot und -nachfrage werden in Echtzeit von den Stromkonzernen protokolliert, aber sie sind nur in geringem Maße öffentlich verfügbar. Netzbetreiber und Stromhändler haben verständlicherweise kein Interesse daran, diese Daten öffentlich zugänglich zu machen, denn sie können auf dieser Grundlage in Gebieten mit Stromengpässen Gewinne mitnehmen.

Welchen Unterschied würde es machen, wenn die Daten zur Netzauslastung in Echtzeit zugänglich wären?

Kritische Situationen ließen sich so schneller erkennen. Beispiel USA: Dort haben die Netzbetreiber die Pflicht, Informationen über die Auslastung jeder Netzverbindung nahezu in Echtzeit online zu stellen. Dort reicht die am besten funktionierende Regelzone inzwischen vom Atlantik bis fast zu den Rocky Mountains. Ein deutscher Netzbetreiber ist neben seinem eigenen Netzgebiet vielleicht noch über die Auslastung in der Nachbarzone informiert. Aber was jenseits der Zone los ist, kann sich schon seiner Kenntnis entziehen.

Brauchen wir für diese Informationen eine europäische Aufsichtsbehörde?

Da die Vernetzung der Hochspannungsleitungen inzwischen auf europäischer Ebene erfolgt, benötigt man auch eine Aufsichtsbehörde auf europäischer Ebene. Diese könnte die regionalisierten Informationen über die Auslastung der Netze und das Stromangebot sammeln und offenlegen. Netzengpässe wären so schneller zu erkennen.

INTERVIEW: TARIK AHMIA